Die erfolgreichste Bergläuferin der Geschichte ist im Alter von 43 Jahren noch die klare Nummer eins in Österreich. Andrea Mayr sicherte sich auf der Kleinen Salve ihren insgesamt 16. Staatsmeistertitel im Berglauf, den zwölften in Serie. „Ich bin sehr zufrieden. Erstens habe ich mich selbst gut gefühlt und zweitens war es sehr motivierend, im Laufe des Rennens einige Läufer zu überholen. Das war eine gute Referenz, um zu wissen, dass ich heute ganz gut drauf bin“, analysierte die Oberösterreicherin den Wettkampf. Dieser war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Heim-WM in Innsbruck-Stubai (6.–10. Juni). „Unter diesem Gesichtspunkt war es ein sehr guter Test. Zwar ist die Vertical-Strecke im Stubaital deutlich steiler, aber auch dort haben wir einen flachen ersten Kilometer und eine flachere Passage zwischendurch – genauso wie heute“, meinte die erfahrene Bergläuferin. Sie ist Österreichs größte Medaillenhoffnung bei den Titelkämpfen in Tirol.
Unerwartete Silbermedaille für Lokalmatadorin Plattner
Mayrs Erfolg in einer Zeit von 52:16 Minuten kam nicht überraschend. Die Favoritin, die im Mai die WM-Strecken ausgiebig besichtigen wird, agierte vom Start weg als klar Führende und erarbeitete sich auf der 10,5 Kilometer langen Strecke mit einer Höhendifferenz von fast 900 Metern einen großen Vorsprung auf Anna Plattner (58:45 Minuten) und Karin Freitag (1:00:26 Stunden, beide LG Decker Itter). Plattner war die Überraschung des Rennens, schließlich nahm die Tirolerin erstmals überhaupt an einem Berglauf teil. „Von 0 auf 100, würde ich sagen. So ist es mir im Winter bereits beim Skibergsteigen ergangen. Ich liebe alle Sportarten, bei denen es bergauf und bergab geht“, sagte Plattner, deren Hauptsportart das Radfahren ist. Nun eröffnet sich ihr unverhofft die Chance einer Heim-WM-Teilnahme. „Einmal muss ich noch drüber schlafen, dass ich’s glauben kann“, fühlte sie sich fast überrumpelt.
Die fünffache Marathon-Staatsmeisterin Freitag hat erst vor einer Woche an den Staatsmeisterschaften im Marathon teilgenommen, die im Rahmen des Vienna City Marathon ausgetragen wurden. Die 43-Jährige war zuletzt 2018 in Andorra Teil des österreichischen Berglauf-Nationalteams bei einer WM. In der Teamwertung, bei den Frauen die Summe aus zwei besten Ergebnissen, feierte der ausrichtende Verein LG Decker Itter einen Dreifachsieg.
Besonderer Rekord für Mayr
Der 56. Staatsmeistertitel von Andrea Mayr ist ein besonderer für die Statistik der heimischen Leichtathletik. Sie stellte den bisherigen ÖLV-Rekord von Karoline Käfer ein. Die Kärntnerin hat zwischen 1972 und 1999 56 Titel gesammelt, davon zehn in der Staffel und sogar einen im Berglauf, nämlich 1999. Mayr hatte sie in der Anzahl an Einzeltiteln längst überholt, nun auch in der Addition aller nationalen Meistertitel eingeholt. Die sechsfache Berglauf-Welt- und fünffache -Europameisterin hält nicht viel von statistischen Aufzählungen, dieser Rekord hat für sie trotzdem hohe Bedeutung, weil er die vielen Erfolge über eine beeindruckend lange Zeit im Leistungssport darstellt.
Natürlich will sie ihn überbieten: „Selbst wenn ich mit dem Leistungssportgedanken aufhören sollte, werde ich zukünftig sicher bei Berglauf-Staatsmeisterschaften mitmachen. Die Leidenschaft und Faszination fürs Berglaufen ist nach wie vor stark. Außerdem sind die Staatsmeisterschaften immer ein herrlicher Termin, bei dem ich viele Weggefährtinnen und Weggefährten in stimmungsvoller Atmosphäre treffe.“
Titel-Premiere für Hans-Peter Innerhofer
Nach vier Berglauf-Staatsmeistertiteln von Manuel Innerhofer in Folge war in diesem Jahr sein Zwillingsbruder Hans-Peter der Schnellste. Der 27-Jährige absolvierte die Strecke vom Dorfplatz in Itter auf die Kleine Salve in einer Zeit von 48:03 Minuten und war um 35 Sekunden schneller als Manuel. Sein sechster Staatsmeistertitel insgesamt sei eine Folge der guten Trainingsarbeit. „Ich habe in den letzten Jahren sicherlich weniger spezifisch Berglauf trainiert als mein Bruder, weil ich auch einen Fokus auf den Straßenlauf gesetzt habe. Aber mit der Heim-WM in Innsbruck-Stubai vor der Brust habe ich natürlich das Training am Berg deutlich intensiviert und auch den Gesamtumfang gesteigert.“ Bereits bei den Halbmarathon-Staatsmeisterschaften vor fünf Wochen in Graz, als er Gold gewann, zeigte er, in der besten Form seines Lebens zu sein. Dazu gehört auch die Wettkampfhärte: „Es war schon öfters so, dass ich im Training auf dem selben Niveau wie Manuel agiert habe. Aber bisher hat er mich im Wettkampf immer deutlich abgehängt. Heute ist genau das mir gelungen.“
Manuel Innerhofer mit Silber zufrieden
Manuel Innerhofer, der bereits sechs Staatsmeistertitel im Berglauf sein Eigen nennt, kann mit der Silbermedaille gut leben, besonders deshalb, weil der Staatsmeistertitel in der Familie bleibt. Ausgebremst von einer langen Trainingspause aufgrund einer hartnäckigen Erkrankung vor einem Monat ist er seit drei Wochen wieder im Training und macht gute Fortschritte. „Ich muss einiges aufholen, aber ich bin auf einem guten Weg. Daher habe ich diese Woche auch nicht rausgenommen und voll trainiert, mit vielen Höhenmetern. Das habe ich heute muskulär gespürt, nicht jedoch von Herz-Kreislauf-System her. Ich bin wirklich sehr zufrieden damit, wie es heute gelaufen ist.“
Aufgrund des Trainingsrückstands hat sich der 27-Jährige entschieden, bei den Weltmeisterschaften in Innsbruck-Stubai die beiden klassischen Berglauf-Distanzen zu bestreiten und nicht wie sein Bruder den Short Trail. „Für den Short Trail fehlen mir die Umfänge im Training“, erklärte Manuel, schließlich steht die WM bereits in sechs Wochen auf dem Programm. „Wäre ich in der Form des letzten Herbsts gewesen, hätte ich sicher den Short Trail gewählt. Dann hätte ich dort bessere Chancen gesehen.“
Bronze für Mattle
Die Bronzemedaille ging an den 21-jährigen Tiroler Martin Mattle (Trail Motion Tirol), der in jungen Jahren als Skitourengeher auf sich aufmerksam gemacht hat. Nun ist das Trailrunning seine Hauptdisziplin, sechs Wochen vor den Heim-Weltmeisterschaften in Innsbruck brachte er sich mit seiner Leistung in Itter in die Position, auch für die Berglauf-Bewerbe als Starter in Frage zu kommen. „Trailrunning ist die Sportart, in der ich mit Abstand am meisten Trainingszeit investiert habe. Die Mischung aus bergauf und bergab ist meine Stärke, aber heute habe ich mich sogar im Flachen gut gefühlt und konnte vom Start weg einen guten Rhythmus bis ins Ziel durchziehen, selbst in den Passagen mit dem tiefen Boden“, kommentierte der Tiroler, der den Wettkampf in einer Zeit von 49:22 Minuten beendete. In der Teamwertung, die Summe der drei besten Leistungen pro Verein, feierte der LC Oberpinzgau einen klaren Sieg.
Der Titel in der Altersklasse U20 ging an Hanna Galler (Kolland Topsport Gaal), die eine Zeit von 43:47 Minuten erreichte. Maximilian Meusburger (Im Wald läuft’s) siegte bei den Burschen in einer Zeit von 29:43 Minuten vor Niklas Scherb (TGW Zehnkampf Union) und Stefan Moritz (KUS ÖBV Pro Team). In der Altersklasse U18 dominierte Fabiola Fortschegger (U. Raika Lienz) den Bewerb der Mädchen in einer Zeit von 40:53 Minuten vor Marlen Staudacher (LC Villach) und Anika Leblhuber (UNION Rohrbach Berg). Bei den Burschen siegte Josua Gschwentner (TRI-X-Kufstein) in 32:03 Minuten vor Fabian Hennerbichler (TGW Zehnkampf Union) und Ben Balik (KUS ÖBV Pro Team). Beide Altersklassen absolvierten eine gut sechs Kilometer lange Strecke mit einem Höhenunterschied von 586 Metern. Die Nachwuchstalente hatten die besondere Möglichkeit, sich mit ihren Leistungen für eine Nominierung für die Weltmeisterschaften auf heimischem Boden in Position zu bringen, die der ÖLV am Dienstag an den Weltverband (WMRA) übermitteln wird.
Dichter Nebel am Berg, Schnee am Streckenrand
Wie bereits vor zwei Jahren gingen die Staatsmeisterschaften in Berglauf in Itter, einer kleinen Gemeinde in den Kitzbüheler Alpen unweit von Wörgl, über die Bühne. Erschwert wurde der Wettkampf auf der nicht in allen Passagen steilen Strecke durch den tiefen Boden, die Niederschläge der vergangenen Tagen und Wochen waren ergiebig. Am Wettkampftag hielt der Regen inne, aber noch am Vormittag hing dichter Nebel im oberen Streckenrand, der sich im Laufe des Wettkampfs zwischendurch lichtete, ehe er später der Sonne vollständig Platz machte. Für die Jahreszeiten unübliche Schneefelder abseits der Strecke sorgten konträr zum frühlingshaften Wetter im Tal für eine spätwinterliche Kulisse, der Nebel leistete seinen Beitrag zu frühlingsfremden Bedingungen am Berg.
Aufgrund des Termins der World Mountain and Trail Running Championships in Innsbruck (6.–10. Juni) fanden die Berglauf-Staatsmeisterschaften heuer etwa einen Monat früher statt als gewöhnlich.
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