Zwei Sportmasseure, ein Physiotherapeut, ein Arzt und eine Person, die sich um die gesamten Kühlsysteme für die Athleten kümmert , das “Medical Team” des ÖLV hat in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen, ist stetig gewachsen und umfasst bei der EM in München nun schon fünf Personen.
ÖLV-Sportdirektor Gregor Högler ist der “Mastermind” hinter dieser Entwicklung. Sein Credo: “Die Athlet/-innen sollen während ihrer Karriere aber auch danach gesünder sein. Nach ihrer Laufbahn sollten sie keine körperliche Schäden durch den Sport erlitten haben.” Mit “Zimmer inSports” besteht seit der EM 2018 in Berlin eine Partnerschaft, die aus der notwendigen Behandlung der Sehne am linken Fussgelenk von Lukas Weißhaidinger entstanden ist, um ihm überhaupt erst einen Start zu ermöglichen.
“Wir können von der Firma Zimmer ein enormes Spektrum nutzen. Angefangen von Spezialgeräten zur Regeneration und Prävention, aber auch einfache Dinge wie Bandagen oder Tapes können wir über diese Kooperation beziehen. Zu Hause sind zum Beispiel mehrere “pneumatische recoveryboots” bei Athleten im Umlauf, die nach den Trainings eingesetzt werden. In der Südstadt steht eine Kältekammer, die man zur Regeneration bis -110 Grad runterkühlen kann. Hier vor Ort in München haben wir Geräte, die zur Zellaktivierung, Schmerztherapie oder zur Förderung der Durchblutung eingesetzt werden können. Großer Vorteil ist, dass wir die von zu Hause bekannten Geräte auch direkt für die EM vom Unternehmen zur Verfügung gestellt bekommen und diese extra für uns angeliefert werden.”
Die medizintechnische Betreuung hat sich (v.a. bei extremer Hitze wie Berlin 2018 oder Doha 2019) sehr bewährt. Hier wurden in den letzten Jahren mit Eisbad, Kühlwesten etc. wichtige neue Akzente gesetzt. Benjamin Rauscher ist in München der “Eismeister” des Teams, er kümmert sich um das 8 Grad “warme” Kältebecken, organisiert Eiswürfel und hält die Kühlwesten für die Athleten bereit.”
Gregor Högler weiter: “Der Trainer sieht als erstes seinen Athleten und trainiert diesen nach seinem Konzept, beide möchten natürlich das Pensum immer weiter steigern. Das Team rund um Physio, Masseur und Arzt kann hier aber oft schon frühzeitig Dysbalancen erkennen und gibt wichtiges und vielleicht auch neues Feedback zu Problemen, welche von Trainer und Athlet so nicht so frühzeitig erkannt wurden. Es ist kein Zufall, wenn Athleten lange unverletzt bleiben. Dahinter steckt fast immer ein perfekt eingestelltes Team, das wir versuchen bestmöglich zu erweitern. Hier bei der EM sind wir im medizinischen Bereich sehr gut aufgestellt mit den Geräten von Zimmer inSports und unserem bewährten Medical Team. Das ist natürlich auch oft eine Kostenfrage, aber wir werden dafür gut vom Sportministerium und über die Bundessporteinrichtungs GmbH unterstützt.”
Frederik Siemes ist derjenige im Team, der viel Wissen und Erfahrung in der Physiotherapie auf höchstem Niveau aus anderen Sportarten einbringt, so sind viele Ideen gewachsen, die in den letzten Jahren in der Prävention und Regeneration in der heimischen Leichtathletik Einzug gehalten haben. „Der Trainer braucht den absolut fitten und gesunden Athleten. Der Arzt kommt oft erst später ins Spiel, wenn es um direkte Verletzungen geht. Wir gehen einen anderen Weg und alle sind mehr in der Prävention, Regeneration, aber auch zur speziellen Aktivierung im Einsatz.“
Für jeden Tag gilt es einen Einsatzplan auszuarbeiten, der aber nur so lange hält, bis bei einem Athleten ein Problem auftaucht. Dann heißt es umzudisponieren, zu improvisieren und wenn notwendig auch einmal die sieben Sachen und den Tisch zu packen und irgendwohin zu rasen. Bei so einem Event gibt es immer gleich mehrere Orte, wo sich gerade etwas Entscheidendes abspielt. Nicht nur im Teamhotel wird von morgens bis abends massiert, gelockert und therapiert, auch am Aufwärmplatz, im Trainingsstadion und im Pausenraum der Mehrkämpfer muss jederzeit jemand aus dem Physioteam bereitstehen, wenn dort Athleten in Aktion sind.
Jan Siart, selbst ehemaliger U20-EM-Teilnehmer im Hammerwurf, massiert seit 15 Jahren ÖLV-Athleten und war bei unzähligen Großereignissen Teil des ÖLV-Teams, zwei Olympische Spiele inklusive. Er sitzt jeden Tag mit dem Athleten, der als erster im Stadion in Aktion tritt, beim Frühstück und ist oft bis Mitternacht im Einsatz, ein Schlafdefizit ist so über den Zeitraum einer guten Woche vorprogrammiert. “Es ist sehr interessant, den Athleten auf vielen Ebenen helfen zu können, wenn man so nahe an ihnen dran ist und mit ihnen arbeitet. Es macht sehr viel Spaß, auch wenn die Arbeit oft sehr intensiv ist, aber es ist schön, wenn man dann den Erfolg der Arbeit sieht.”
Patricia Hana ist seit vier Jahren im Team Weißhaidinger dabei und sorgte auch schon bei der WM in Eugene für geschmeidige Wadeln beim Nr. 1 Diskuswerfer Österreichs. „Bei der Massage bleibt der Athlet passiv, er entspannt sich auf der Liege und es wird die Muskulatur, die Faszien oder wo immer ein Problem vorliegt, bearbeitet. Vorwiegend wird ein wenig Spannung rausgenommen bzw. können wir so Verletzungen vorbeugen.”
Nicht zu vergessen ist der Teamarzt, Dr. Richard Högler, der bei der EM rund um die Uhr auf Standby ist. “Für Athleten gilt wie auch bei einem Auto, auch wenn es läuft kommt man in die Werkstatt zum Service. Wir messen immer wieder die drei großen Gruppen: Flexibilität, Kraft und Funktionalität. Das Wichtigste ist, dass der Athlet immer gesund bleibt. Große Bedeutung hat dabei die Kommunikation als Team, welche zwischen Athlet, Trainer, Arzt, Physiotherapeut und Masseur bestens funktionieren muss. Nur so kann bei Anzeichen von Problemen bereits frühzeitig mit Übungen gegengesteuert werden, um mögliche Verletzungen zu verhindern.”
Betrachtet man die Team-Zelte am Aufwärmplatz, dann sieht man, dass Österreich in diesem Bereich zu den führenden Nationen gehört. Man darf gespannt sein, was sich Gregor Högler und das Medical Team in den nächsten Jahren noch alles einfallen lassen werden.
Fotos: © GEPA Pictures, ÖLV (nicht honorarfrei verwendbar)