Im Medienbereich werden die Computer und Kameras vorbereitet. Die Organisation ist nicht schlackenfrei. Sechs Journalisten müssen sich vier Arbeitsplätze teilen. Im Medienraum sitzt man wie in einer Legebatterie.
Sarah Lagger steigt um 10.07 Uhr in den Siebenkampf ein. Ihr Aktionsradius reichte in den letzten Jahren von Cali und Tiflis über Grosseto nach Bydgoszcz bis nach Tampere. Von überall brachte sie eine Medaillen nach Hause. Gibt es diesmal more of the same? Schwer zu sagen. Selbst die bekannten Auskenner der Leichtathletik sitzen nicht am Trog der Weisheit und können nur in Delphi anrufen.
Der erste Bewerb geht über 100 m Hürden. Es wird nicht nur ein Lauf gegen die Schwerkraft, sondern vor allen gegen den Wind. Sarah bringt trotz dieser Bremse 14,39 Sekunden ins Ziel.
Bald darauf folgt der Hochsprung. Hier sollte man als Zuschauer in guter Verfassung sein. Bei jedem Sprung feuern die Spiegelneuronen mit und bei Fehlsprüngen kommt man sich wie bei einer Wurzelbehandlung vor. Sarah steigt bei 1,64 m ein und zieht bis 1,73 m durch. Dann wird die Latte unsympathisch und lässt keine 1,76 m zu. Sarah geht mit dem 12. Gesamtrang in die Mittagspause.
Beim 400m-Lauf sind Dominik Hufnagl und Nico Garea im Vorlauf am Start. Beide laufen nicht ihre Paradestrecke. Dominik ist bis jetzt immer gerne die mit Hürden manikürte Stadionrunde gelaufen, Nico ist österreichischer Eliteläufer über 200 m. Robert Ruess und Gerald Jalitsch vermuten gesteigerte 400m-Bestzeiten, rechnen aber nicht mit dem skandinavischen Wind. Das Wetter eignet sich mehr zum Drachensteigen als zum Spurten. Trotzdem. Nico plagt sich auf der Schlussgeraden mit der steifen Brise herum und liefert 48,68 sec ab. Gratulation. Dominik geht es mit dem böigen Wind nicht besser. Sein Kampf auf der Schlussgeraden wird aber belohnt. Er steigt mit 47,67 sec ins Semifinale auf. Ist er in der Mixed Zone noch unter, so ist er nach einer halben Stunde wieder ober den Wolken. Ich auch.
Als Julia Schwarzinger in den 100-m-Vorlauf geht, ist der Wind bereits für das Schwerwassersegeln geeignet. Die Sprinterinnen laufen wie in einem Windkanal. 4,8 m/sec Gegenwind lassen weder Zeit noch Freude zu.
In der Mittagspause geht sich ein Bummel in Gävle aus. Das bringt interessante Eindrücke. Die Straßen der Stadt sind überwiegend rechtwinklig angelegt. Alles ist schmuck und sauber, was der Stadt einen sterilen Charme verleiht. Ein gemütlicher Urlaubsort für ältere Menschen und deren Eltern.
Am Nachmittag steigt Karin Strametz in die Europameisterschaften ein. Sie hat sich – nach ihrer Karriere im Siebenkampf – ganz dem Hürdenlauf verschrieben und wird von Hürden-Feinspitz Philipp Unfried trainiert. Karin trommelt gleich nach dem Start los und lässt keinen Zweifel, dass sie auch morgen dabei sein will. Mit ihrer Zeit von 13,72 sec hätte sie sogar den ersten Vorlauf gewonnen.
Einstweilen macht sich Katharina Pesendorfer am Trockendock warm. In einer Stunde wird sie Hindernisse und den Wassergraben überqueren. Katharina hält seit wenigen Wochen den U23-Rekord über 3.000 m Hindernis.
Dann wieder Sarah Lagger. Der dritte Bewerb im Siebenkampf ist das Kugelstoßen. Einstweilen hat sich eine große Fangemeinde aus Österreich in Gävle eingefunden. Unter anderen behübschen Hanna Kronsteiner, Niki Werthner, Catina Jo Ahrer und Alexandra Scheftner das Stadion und machen einen Riesenwirbel. Ob sie mit dem Auto, dem Fahrrad oder zu Fuß nach Schweden gekommen sind, verraten sie mir nicht. Sarahs Auftritt wird ein Snack an Freude. Gleich beim ersten Versuch fliegt die Kugel über die 15-m-Marke: 15,23 m sind eine Weltklasseleistung. Eine gewaltige Steigerung ihrer bisherigen 14,38 m, die sie bei ihrem besten Siebenkampf gebracht hat. Jetzt ist Sarah wieder in der Ziehung um einen Spitzenplatz im Heptathlon. Sie belegt nach drei Disziplinen den dritten Rang. Eine Leistung summa cum laude.
Knapp vor 18 Uhr beginnt der Vorlauf über 3.000 m Hindernis. Wassergraben inklusive. Die Läuferinnen fädeln sich anfangs in einer Reihe auf. Katharina reiht sich am Ende ein. Vorsicht und Vernunft sind wichtige Tools bei diesem Lauf, in dem Adrenalin flüchtig und Laktat vorherrschend wird. Drei Runden vor Schluss passt Katharina die Schlussposition nicht mehr und beginnt zu überholen. Der Abstand an die vordere Gruppe ist 30 Meter. Ihr Lauf schaut locker aus, und in der Schlussrunde legt sie nochmals zu. Die 30 m sind bald überwunden, und jetzt legt Katharina nochmals den Riemen auf die nächste Scheibe. Mit feinen 10:21,81 min ist für sie Badeschluss. Damit qualifiziert sie sich für den Finallauf am Samstag.
Mir fehlen jetzt die vielen Emojis, um diese Leistung zu kommentieren. Auch hat mein Computer bereits Platzmangel, um die vielen Freuden des Tages zu beschreiben. Ich gehe lieber auf ein Bier.
Morgen schreibe ich über das himmlische Flutlicht in Gävle weiter. Bleiben sie dran.
Text: Herbert Winkler