Das Zusammensein mit der Mannschaft hat etwas Erfrischendes. 18- und 19-Jährige sind viel unbekümmerter als bereits bemooste Erwachsene. Trotzdem fehlt es ihnen im Wettkampf nicht an Ernsthaftigkeit und an Ehrgeiz. Das Dabeisein bei einer Weltmeisterschaft ist für sie eine Uraufführung der besonderen Art. Sie haben nicht wie die Stars der Szene nur einen Slot im Stadion gebucht, sondern kommen auch, um die anderen lautstark anzufeuern, sie zu loben oder zu trösten.
Im Mediencenter wird bekannt, dass in Europa wieder Corona anrollt. Das beschäftigt meine Kollegen aus Peru besonders. Das Land wies bei der Coronapandemie die weltweit höchste Sterblichkeitsquote in Bezug auf die Bevölkerungszahl auf. 2021 gab es in Lima Maskenpflicht, bei der zwei Gesichtsmasken und ein Gesichtsschild zu tragen waren. Ende 2021 waren über 80 Prozent der Einwohner über 12 Jahren vollständig geimpft.
Zu Mittag werden die Diskuswerfer vorgestellt. Schaut wie ein Casting für einen Herkulesfilm aus. Aus Austria ist Benjamin Pichler dabei. Er hat die Quali-Weite mehrmals übertroffen und kommt mit 57,07 m zur Weltmeisterschaft. Ob die Welt eine Scheibe ist oder nicht, darüber hat man früher viel gestritten. Heute glaubt man, dass die Erde eine Kugel ist. Benjamin ist das ziemlich egal. Er kann mit Scheibe und Kugel gut umgehen. Im Februar stieß er die 6-kg-Kugel an die 15 m. Mit dem Diskus der Allgemeinen Klasse kam er 51,15 m weit. Sein Trainer in den letzten Jahren war Leopold Kratky. Das Limit von 55,50 m hat der Athlet der TGW Zehnkampf-Union bei einem Wettkampf im bayrischen Erding gleich viermal übertroffen. Er kommt gut gerüstet nach Peru.
Hier wird Benjamin von Herwig Grünsteidl betreut. Herwig ist ein Breitbandtrainer, der auch gut das Alphabet des Sozialen beherrscht. Seit Jahrzehnten bringt er Athletinnen und Athleten zu den Big Three: EM, WM und OS. Im Internet-Speech würde man sagen, er hat viele Followers. Benjamin ist bei Herwig in guten Händen.
Die Diskuswerfer sind in zwei Gruppen eingeteilt. Benjamin ist in der ersten Gruppe, wo die Bestweiten der 16 Athleten eine Bandbreite von 55 m bis 63 m hat. Der erste Wurf gelingt Benjamin nicht. Er landet im Netz. Kein Grund zum Nägelbeißen. Der zweite Wurf landet bei 53,77 m. Da geht sicher noch etwas. Und Benjamin enttäuscht nicht. Sein Arm bleibt lang und der Radius ist weit. Dementsprechend nun die Weite: 55,68 m. Damit liegt er wieder über dem WM-Limit und wird in der Gruppe Neunter und lässt sieben Werfer hinter sich. Nach dem Durchgang der zweiten Gruppe ist er insgesamt 20. Herwig zieht Resümee:
„Das Einwerfen war sehr gut. Zwei nahezu perfekte Würfe. Beim ersten Wurf im Wettkampf war er etwas wild, weshalb er im Netz landete. Dann hat er sich gut in den Wettkampf hineingefuchst. Der zweite Wurf war gut, aber noch nicht sein Potential. Beim dritten Wurf gab er dann Gas und bestätigte das Limit. Eine insgesamt solide Leistung.“
Unsere Athletinnen und Athleten haben Österreich ganz toll vertreten. Die Medaille ist ein Highlight, aber auch alle anderen Leistungen sind imponierender als die Exceltabellen zeigen. Das alleine war es aber nicht. Es war die Leidenschaft, die Begeisterung und der Zusammenhalt, der das österreichische Team ausgezeichnet hat.
Und allein das macht Hoffnung auf die Zukunft.
Text: Herbert Winkler