Mit viel Selbstvertrauen startete das junge ÖLV-Team in den Wettkampf der Junioren. Die Startphase brachte die befürchtet große Herausforderung, die richtigen Positionen im Feld zu erkämpfen. Denn mit dem Startschuss wurde ein hohes Tempo angeschlagen und das Gedränge um die Plätze war enorm. „Die ersten Meter waren extrem aggressiv. Das war ein einziges Herumgeschubse, jeder wollte so weit vorne wie möglich laufen. Das war echt arg, so etwas ist man in Österreich nicht gewohnt“, berichtete Kevin Kamenschak nach dem Rennen. Sebastian Frey bestätigte: „Am Anfang war es ein irrsinnig schnelles Rennen. Die ersten 500 Meter haben sich angefühlt wie ein 800m-Lauf. Wahnsinn!“
Große Zufriedenheit bei Frey und Kamenschak
Der 19-jährige Wiener lag in der Anfangsphase knapp außerhalb der Top-20, konnte in der zweiten Runde jedoch einige Positionen gutmachen. Auch in der letzten der vier Runden hielt er einerseits den Zeitverlust zum überlegenen neuen Junioren-Europameister, Axel Vang Christensen im Rahmen und kletterte andererseits im Ranking noch um vier Plätze nach oben, um nach 6.000 Metern als Zwölfter im Ziel anzukommen. In einer Zeit von 18:37 Minuten verpasste er einen Platz unter den besten zehn U20-Jährigen in Europa im Crosslauf lediglich um fünf Sekunden. „Ich bin sehr zufrieden, es war ein super Rennen. Es hat richtig Spaß gemacht, hier zu laufen und diese Wahnsinnsstimmung aufzusaugen. Insbesondere, weil wir mit einem Team am Start waren“, so Frey. Sein Trainer Karl Sander zeigte sich zufrieden und sprach von einem „feinen Ergebnis“.
Der 17-jährige Kamenschak, der zuletzt regelmäßig mit Frey in Wien trainierte und das auch künftig tun wird, lag bei fast allen Zwischenzeiten auf Position 24 und hielt diesen Platz bis zur Ziellinie, die er nach 18:52 Minuten erreichte. „Für einen U18-Athleten, dessen Spezialdistanz die 1.500m sind, nicht so schlecht“, fand der Linzer schmunzelnd und untermalte: „Ich bin richtig, richtig zufrieden“. Aus seinem Wettkampf nahm er nur Positives mit: „Es war ein toller Kurs, die Stimmung an der Strecke war der Wahnsinn! So viele Zuschauer bei einem Rennen – eine neue Erfahrung für mich.“
Bezecny mit Aufholjagd nach einem Sturz
Obwohl er auf einen rasanten Start eingestellt war, wurde auch Emil Bezecny etwas davon überrascht, wie viele Kontrahenten im Sprinttempo die Startboxen verließen. Daher lag er zu Beginn im Mittelfeld. „Ich habe versucht, nach vorne zu kommen. Aber das war nicht einfach“, berichtete der 17-Jährige. Ein Sturz in der zweiten Runde, als er unsanft auf dem Bauch landete, bedeutete einen weiteren Rückschlag für ihn. Anschließend arbeitete er sich vom hinteren Teil des zweiten Drittels des Feldes noch fast in das erste: Rang 35 in 19:09 Minuten. „Ich freue mich sehr über das gute Abschneiden unseres Teams“, rundete Bezecny sein Fazit ab.
Als vierter Österreicher erreichte Raphael Siebenhofer das Ziel auf Rang 69 unter 97 Platzierten (19:45). Der 18-jährige Steirer ging das Rennen wie angekündigt konservativ an, konnte aber im Laufe des Wettkampfs einige Kontrahenten überholen. „Der Start war extrem hektisch, das war etwas ganz Neues für mich. Das Ergebnis ist ok, im Sommer konnte ich aufgrund von zwei Ermüdungsbrüchen kaum trainieren. Insgesamt eine gute Erfahrung!“, lautete sein Kommentar.
Platz acht in Nationenwertung – „Ziel erreicht“
Die guten Einzelplatzierungen der ÖLV-Athleten addierten sich zum erfreulichen achten Rang in der Nationenwertung. Mit 71 Punkten platzierte sich Österreich beispielsweise besser als Deutschland oder Italien. „Wir freuen uns sehr über dieses Abschneiden. Es hat enormen Spaß gemacht, im Team zu laufen“, berichtete Frey stellvertretend für das Quartett. Die Medaillen gingen in einer sehr engen Entscheidung an Großbritannien, Irland und Israel. „Wir haben die vereinbarte und erhoffte Zielsetzung eines Top-Acht-Platzes erreicht“, lobte Karl Sander. „Das war nur möglich, weil alle vier Burschen eine gute Leistung abgeliefert haben. Sie haben sich am Punkt sehr stark präsentiert und sind schlau gelaufen. Alle vier konnten zum Schluss zulegen, die vierte Runde war bei allen, abgesehen von der Startrunde, in der das Tempo enorm war, die schnellste.“
In die Wertung fielen die Top-Drei pro Nation, deren Platzierungen addiert und in ein Punktesystem umgewandelt wurden. Die Nationalmannschaft mit der niedrigsten Summe gewann Gold. Sander betonte aber die Relevanz aller Läufer, denn jeder einzelne nehme mit seinen Platzierungen anderen Nationen Punkte weg. Wie wichtig ein ausgeglichenes Team auf hohem Niveau für eine gute Platzierung in der Nationenwertung ist, zeigt das Beispiel Dänemark. Trotz zweier Medaillen in der Einzelwertung landeten die Skandinavier gerade einmal sieben Punkte vor Österreich auf Rang sieben. Und das, obwohl der 6.000 Meter lange Wettkampf auf dem Gelände des Sport Ireland Campus in Blanchardstown in der nördlichen Peripherie von Dublin von Beginn an unter skandinavischer Dominanz stand. Bereits in der zweiten Runde setzte sich Axel Vang Christensen von seinen Rivalen ab und feierte in einer Zeit von 17:53 Minuten einen überlegenen Sieg vor dem Norweger Abdullahi Dahir Rabi (18:18) und seinem dänischen Landsmann Joel Ibler Lillesö (18:21). Es sind die beiden ersten dänischen Medaillen bei Crosslauf-Europameisterschaften in der Altersklasse U20 der Burschen überhaupt.
Punktlandung für Andreas Vojta
Bei der Rückkehr an jenen Ort, wo er 2009 in der Altersklasse U23 sein internationales Debüt für den ÖLV gefeiert hatte, erzielte Andreas Vojta sein bestes Ergebnis bei Crosslauf-Europameisterschaften in der Allgemeinen Klasse. Das stimmte mit seinem Empfinden überein: „Vom Gefühl her war das mein bester Auftritt bei einer Crosslauf-EM. Ich habe den richtigen Zugang zwischen zügig anlaufen, mich aber nicht zu zerschießen, ganz gut getroffen. Ich konnte mich gut positionieren, das Tempo in einem guten Rhythmus konstant halten. Es hat alles gut zusammengepasst: meine Leistung, meine Einschätzungen während des Rennens, mein Endspurt und meine Konkurrenzfähigkeit.“
Vojta lief nach 10.000 Metern als 29. in einer Zeit von 31:35 Minuten ins Ziel und hielt auch den zeitlichen Rückstand zum überlegenen Sieger Jakob Ingebrigtsen, einziger europäischer Olympiasieger auf einer Laufdistanz von Tokio (1.500m), in Grenzen. Der 32-jährige Niederösterreicher lag in der ersten Rennhälfte stets zwischen Position 21 und 30, fiel dann kurze Zeit ein paar Positionen zurück. In die Top-30 kehrte er in den letzten Augenblicken des Rennens zurück, weil er im Endspurt aus einer kleinen Gruppe der schnellste war. „Hätte der Endspurt nicht so gut geklappt, hätte ich mich geärgert. Schließlich waren die Top-30 mein Ziel. Dieses Abschneiden ist meiner Einschätzung nach viel Wert, weil es das stärkste Feld bei Crosslauf-Europameisterschaften seit längerer Zeit war“, bilanzierte der Routinier.
Hartes Rennen für Julia Mayer
Zum Abschluss des langen Crosslauf-Tages in der Region Fingal vor den Toren Dublins stand Julia Mayer im 8.000 Meter langen Rennen der Frauen vor einer schwierigen Aufgabe. Denn das Feld war hochwertig besetzt und hielt sich mit keinen taktischen Spielchen auf. Sofort drückten die Stars auf das Tempo. „Ich habe auf den ersten beiden kleinen Runden noch versucht, in der größeren Verfolgergruppe mitzugehen. Aber es war irrsinnig schwierig: das Tempo hoch und der Boden nach so vielen Rennen ziemlich gatschig“, erzählte die 28-jährige Niederösterreicherin. Mayer absolvierte den Großteil des Rennens im Mittelfeld und konnte im Finale noch einige Positionen wettmachen. Sie belegte in einer Zeit von 29:17 Minuten Platz 39. „Das Ergebnis ist ok. Ich bin nicht 100%ig zufrieden, aber im Großen und Ganzen passt es schon. Das Rennen war ziemlich schnell, der Boden tief und der aufkommende Wind hat zusätzlich alles erschwert“, fasste sie zusammen. Mayers Trainer Karl Sander lobte seine Athletin, dass ihr in diesem Kräfte raubenden Wettkampf eine gute Renneinteilung gelungen ist. „Man muss beachten, dass das Feld im Vergleich zu Lissabon von vor zwei Jahren heute wesentlich stärker war und der Rennverlauf durch das hohe Tempo vom Beginn weg ebenfalls viel anspruchsvoller“, ordnet er ein.
Neue Europameisterin ist die Norwegerin Karoline Bjerkeli Grövdal, die vor zwölf Jahren, als Dublin ebenfalls die Crosslauf-EM austrug, den letzten ihrer beiden Junioren-EM-Titel in dieser Disziplin gefeiert hatte und nun erstmals in der Allgemeinen Klasse auf der obersten Stufe des Stockerls stand. Meraf Bahta aus Schweden und Alina Reh aus Deutschland komplettierten es, während die vierfache Crosslauf-Europameisterin Yasemin Can und Konstanze Klosterhalfen leer ausgingen.
Stimmungsvoller Crosslauf-Tag in Irland
Die Crosslauf-Europameisterschaften 2021 gingen bei besten äußeren Bedingungen – 12°C Lufttemperatur, leichter Bewölkung und spürbarem Wind am Nachmittag – über die Bühne. Dass Irland eine traditionsreiche Crosslauf-Nation ist, zeigte sich an den begeisterten Zuschauern, die diverse Streckenpassagen in mehreren Reihen säumten und für hervorragende Stimmung sorgten.
Alle Ergebnisse finden Sie auf der Website von European Athletics
Alle Informationen zur Crosslauf-EM finden Sie auf der Veranstaltungswebsite von Fingal-Dublin 2021
Die Übertragung der Wettbewerbe ist auf der Website von Eurovision Sports TV nachzusehen, aufgesplittet in die einzelnen Rennen
Fotos: © James Veale