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U20-WM: Innenansichten aus Tampere - Sonntag

(C) Getty Images for IAAF

Auch heute ist die Sonne in Hochform. Geht es so weiter, kann Finnland das neue Italien werden. Die Menschen genießen die Sonne, liegen in den Wiesen und gehen sogar schwimmen. Die Wassertemperaturen den Seen haben allerdings Brrr-Niveau und sind etwa halb so warm wie die menschliche Körpertemperatur.

Um 13.30 Uhr – es hat 26 Grad Celsius – beginnt der letzte Wettkampftag. Für die Burschen stehen noch die Finalläufe über 800 m und der Hindernislauf auf dem Timetable. Stefan Schmid ist mit dabei. Die Mittel- und Langstreckenläufe werden in der Leichtathletik seit Jahren überwiegend von den Läufern aus Nord- und Schwarzafrika dominiert. Sie laufen wie von einem anderen Planeten. Das ist in Tampere nicht anders. Die Läufer, deren Geburtstag manchmal unbestimmten Datums sind, machen sich die vorderen Plätze aus. Das ist imponierend, attraktiv ist es nicht immer. Oft handelt es sich bei einem Finallauf um eine afrikanische Meisterschaft. Vermutlich geht es Sportinteressierten aus Malawi oder Botswana ebenso, wenn sie Slalomläufe im alpinen Schisport ansehen.

Die Favoriten in Wassergrabenlauf sind zwei Äthiopier, ein Kenyaner und ein Uganda-Boy. Karin Haußecker hat sich mit Stefan besprochen und hofft auf eine gute Platzierung in diesem Klassefeld. Karin ist Herz und Anstoß einer kleinen Trainingsgruppe in der Südstadt.

Neben mir auf der Tribüne sitzt Georg Werthner. Er war in Tampere ein Frühaufsteher. Das Coachen in zwei Mehrkämpfen hat ihn vier Tage lang um 6 Uhr aus den Federn geholt. Bei der U18-EM in Györ war es nicht anders. Er ist froh, nur zuschauen und fotografieren zu können.

Gleich nach dem Start nimmt der „Afrika-Express“ Fahrt auf und enteilt den anderen. Stefan geht das Tempo nicht mit und hält sich auch aus dem Mahlwerk der vielen Beine im Pulk heraus. Er findet einen ungefährdeten Platz im Mittelfeld, wo er weder von hinten gestoßen noch von vorne behindert wird. So bleibt ihm ein Hü-hott-Laufrhythmus erspart. Dann landet er in einer Dreiergruppe, die ihm aber zu bummelig ist, weshalb er sie überholt. Knapp vor Badeschluss wird es extrem spannend. In der Schlussrunde sind vier Läufer dicht beisammen. Es geht um die Plätze acht bis elf. Stefans Endspurt ist wieder sehenswert. Er erkämpft den neunten Platz! Was für eine Leistung bei diesen Temperaturen und in diesem Elitefeld. Es handelt sich hier – wohlgemerkt - um Weltmeisterschaften. Ganz große Gratulation.

Vor mir sitzt Elisabeth Eberl. Sie war eine begeisterte und stolze Teamleiterin und hat jeden Auftritt unserer TeilnehmerInnen mit Anfeuerungen begleitet. Und außerdem gestehe ich, dass ich sie gestern einmal umarmt habe. Weil sie uns in Tampere organisatorisch gut durch die Tage geführt hat.

Am Ende der Tage fahre ich von Finnland mit einem schönem Gefühl nach Hause. Das Zusammensein mit einer U20-Mannschaft ist immer etwas Erfrischendes. 18- und 19-Jährige sind zwar auch ehrgeizig, aber auch unbekümmerter als Erwachsene. Die meisten unserer Jugendlichen sind das erste Mal bei einer Weltmeisterschaft. Ihre Wettkämpfe auf diesem Terrain sind eine Uraufführung. Den anderen zuzuschauen und die Stimmung im Stadion zu genießen, ist selbstverständlich. „Etablierte“ Athleten der Liga U30 kommen meist zu ihrem Wettkampf und gehen dann wieder. Ihr zeitknappes Leben ist ganz auf den Sport abgestellt.

Jugendliche haben – wenn sie sich ihre Motivation konservieren – eine lange sportliche Perspektive. Die nächsten Olympischen Spiele sind nicht die Karriere-Deadline. Ihre  Horizontgrenze geht bis zu den über- oder überübernächsten Spielen. Die Zukunft ist noch weit und offen.

Und noch etwas: Die Leistungen von Junioren verbessern sich nicht um Zentimeter oder Hundertstel, sondern um Dezimeter oder Sekunden. In Wurfdisziplinen können es auch Meter sein. Genau weiß man noch nicht, wo die Leistungsgrenze liegt. Bei gutem Training und guter Gesundheit gibt es kein Stagnieren. Der Körper baut noch auf und ist noch gezielt formbar.

Wenn diese Jugendliche weiter engagiert trainieren, werden wir sie nächstes Jahr in Schweden wieder sehen. Dort finden sowohl die U20- wie auch U23-Europameisterschaften statt.

Text: Herbert Winkler
Fotos: Getty Images for IAAF und Hasse Sjögren

16/07/18 09:09, Text: Bernhard Rauch

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