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Innenansichten aus Lima – Dienstag

(C) ÖLV/Wepner

Endlich ist es soweit. Nach tagelangem Anpassen des Schlaf-Wach-Rhythmus wird es ernst. Die Wettkämpfe beginnen. Der Himmel über Lima hat einen alphaltgrauen Deckel und es ist kühl. Noch hat es auf den Stadionrängen das Flair einer ewigen Mittagsruhe. Es sind hauptsächlich Akteure außer Dienst da, die ihre Teamkolleginnen und -kollegen begleiten.

Einheimische besuchen dieses Sportfest nicht, denn Leichtathletik hat in Peru keinen Stellenwert. Die Prime-Sportarten sind jene, bei denen ein Ball im Spiel ist: Fußball, Basketball, Rugby. Eine große Liebe ist auch Shooting. Drei der bisherigen Olympia-Medaillen hat Peru im Schießsport gewonnen. Bei den U20-Weltmeisterschaften sind etwa 30 junge Peruaner mit Minimallimits dabei.

Der Medienraum ist fensterlos und riecht nach organischer und anorganischer Chemie zugleich. Er wurde offenbar gründlich gereinigt. Man braucht eine homerische Wesensart, um hier zu verweilen. Im Stadion dient die Qualifikation im Hammerwerfen der Männer zum Warmschauen.

Richtig spannend wird es für uns, als die 100-m-Sprinterinnen für ihre Vorläufe auf die Bahn kommen. Es sind sechs Vorläufe angesetzt. Alana Reid aus Jamaika ist die Einzige, die schon unter 11 Sekunden gelaufen ist.
Katharina Stadler vom ULC-Oberbank Linz ist für den vierten Heat nominiert. Sie ist heuer erstmals unter 12 Sekunden gelaufen. Das ist auch diesmal das Ziel. Ihre Gegnerinnen bieten weltumspannende Völkerkunde. Neben Katharina sitzen Läuferinnen aus China, Neuseeland, Australien, Nigeria und Südafrika in den Startmaschinen. Man muss kein Schutzpatron der Ahnungslosen sein, um zu wissen, dass der Aufstieg ins Semifinale für Katharina schwer ist. Sie gehört zu den hoffnungsfrohen Sprinterinnen im Nachwuchs und wächst im Talenthumus von Philipp Unfried heran. Dafür hat sie einen Gleiswechsel vorgenommen und fährt mehrmals die Woche von Linz nach St. Pölten zum Training. Der Start in Lima ist für sie ein Schnuppern im Kosmos der Weltklasse.
Als Katharina startet, stehe ich bereits neben mir und bin aufgeregt. Der Startschuss erlöst mich. Katharina kommt gut aus der Maschine und ist nach 40 m auf voller Wattstärke. Das Feld beginnt sich zu sortieren. Noch ist nicht auszumachen, wer vor oder hinter Stadler durchs Ziel laufen wird. Chelsea Scolyer aus Australien neben ihr muss aufgeben, und Katharina schiebt sich immer näher an die Nigerianerin Nweke heran. Das Vorbeilaufen geht sich aber nicht ganz aus. Katharina wird Achte, und es ist wurscht, dass die Zeit über 12 Sekunden liegt. Der Gegenwind war ein die Handbremse für alle.
„Ich war vor dem Start total nervös, was sich auch körperlich auswirkte. Der Start war o.k., ich kam auch in einen guten Laufrhythmus und habe voll durchgezogen. Jetzt bin ich sehr erleichtert und mit meiner Leistung zufrieden. Es ist cool und ein Highlight, bei einer Weltmeisterschaft dabei zu sein.“

Nachmittag ist gut Zeit, die Altstadt von Lima zu besuchen. Barocke Kirchen, Gebäude aus der Kolonialzeit und große Plätze prägen den Stadtkern. Allerdings steht die Küstenoase auf unruhigem Boden und wird immer wieder von heftigen Erdbeben erschüttert. Das letzte Mal hat 1970 ein Erdbeben großen Schaden angerichtet. Die UNESCO unterstützte den Wiederaufbau finanziell, und seit 1991 gehört Lima zum Weltkulturerbe. Die Stadt dehnt sich bis in eine Höhe von 1.000 m aus. Dort wohnen verarmte indigene Bevölkerungsgruppen nicht im gehobenen Zimt- und Zuckerniveau der peruanischen Gesellschaft. Nur wenige von ihnen haben die Chance auf einen bescheidenen Wohlstand. In diese Vororte sollte man besser nicht gehen.

Am Nachmittag zeigt sich die Temperatur mit 15 Grad auf dem Thermometer. Keine idealen Verhältnisse für das Stabhochspringen, denn diese können sehr lange dauern. Magdalena Rauter wurde die letzten Tage von biologischen Unwegsamkeiten begleitet. Der Hals samt Nase machte zu schaffen. Florian Wepner hatte Wunderpillen mit, und heute ist Magdalena für den Wettkampf wieder fit. Die Athletin von ATSV Innsbruck hat bereits superlativwürdige Leistungen im Stammbuch stehe. Sie gewann voriges Jahr Gold beim EYOF und war auch bei der U20-EM in Jerusalem dabei. „In 10 Jahren werde ich Profisportlerin sein und einmal 4,90 m hochspringen“, sagte sie 2021. Damals war ihre Bestmarke 3,80 m. Heute steht sie auf 4,20 m. Der Weg zum Traumsprung ist schon gut angelegt.
Stabhochspringen gehört zu den schicksalsträchtigen Disziplinen. Schon der Wind kann unrhythmisch sein und eine stressige Schieflage bewirken. Die Wasserscheide für den Direkteinzug ins Finale verläuft bei 4,25 m. Dann wird auf 12 Athletinnen aufgefüllt. Die Chancen für Maggi stehen gut. Locker springt sie 3,60 m und souverän auch die 3,80 m. Ich beginne schon meine Emojis zu sortieren. Die Sorgen wegen dem Halsweh sind instant verflogen.

Die gesamte österreichische Mannschaft hat sich vor dem Stabhochsprunggelände eingefunden und fiebert mit Maggi mit. Nur Thomas Neuhauser strahlt buddhistische Ruhe aus. Er hat Innsbruck zum Mekka des Stabhochsprungs in Österreich gemacht und weiß um die Kompetenz seiner Athletin bestens Bescheid. 3,95 m schafft Magdalena auch im ersten Versuch. Bei dieser Höhe wird das Teilnehmerinnenfeld stark reduziert. Jetzt kommt es auf die Überquerung der 4,10 m an. Schafft Magdalena diese Höhe, ist sie unter den besten 12 und das Finale ist gebongt. Ich merke, dass ich nur mehr flach atme und aufgeregt bin. Magdalena nimmt auch diese Höhe im ersten Versuch und ist damit im Finale.

Mir galoppieren vor Freude die Buchstaben davon und ich werde jetzt einen peruanischen Pisco bstellen. Und morgen wird es wieder interessant, wenn Alessandro Greco und Marie Glaser an den Start gehen. Sie werden über 400 m und 1.500 m ihr Bestes geben.  Es zahlt sich aus, auf die Webiste des ÖLV zu schauen.

Text: Herbert Winkler

28/08/24 06:39, Text: Bernhard Rauch


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