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Corona-Virus: Ein Blick rund um die Leichtathletik-Welt

Weltkugeln mit Schutzmasken in Form der Olympischen Ringe (C) Pixabay

ÖLV-Trainer Philipp Unfried hat den gestrigen Tag genutzt, um mit internationalen Trainerkollegen und Trainingspartnerinnen seiner heimischen Spitzenathletinnen zu telefonieren und sie zur Lage in ihren Ländern im Zusammenhang mit der Corona-Virus-Pandemie zu befragen.

Daraus entstand dieser spannende Rundblick um die Leichtathletik-Welt, den wir in Jamaika beginnen, wo Hürdensprinterin Megan Tapper – 100m Hürden-WM-Finalistin von Doha 2019 – als Gesprächspartnerin zur Verfügung stand.

Derzeit gibt es keine strengen Ausgangsbeschränkungen auf der Karibik-Insel. „Aber die Auswirkungen sind schon sichtbar. Die meisten Sportplätze sind jetzt gesperrt“, wie Tapper erzählt. In Jamaika wird normalerweise im Herbst und Winter auf Rasen trainiert und dann erst für die unmittelbare Vorbereitung ab Februar auf die Tartan-Bahn gewechselt. „Das ist jetzt gestrichen und wir müssen wieder zurück auf den Rasen. Es sind auch die meisten Krafträume gesperrt, das heißt, dass wir auch hier deutlich eingeschränkt sind. Eine optimale Vorbereitung auf die Saison sieht anders aus, aber wir wissen ja ohnehin nicht wann und ob es Meetings geben wird“, sieht die 26-Jährige den kommenden Monaten skeptisch entgegen. In Jamaika wurden alle Wettkämpfe abgesagt, „sogar die High School Championships“, wie Tapper sagt und mit „etwas, was ich mir nie im Leben vorstellen hätte können“ kommentiert. Foto (C) Privat.

Ein Blick nach Deutschland

Mit der DLV-Athletensprecherin Nadine Hildebrand, einer ehemaligen Hürdensprinterin, hat Philipp Unfried ebenfalls gesprochen. Wie wir auch aus den heimischen Medien wissen, ist die Situation in Deutschland von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich, „da die Umsetzung von Maßnahmen Ländersache ist“, wie Hildebrandt erklärt. Die derzeitigen Trainingsbedingungen gleichen derzeit oftmals jenen in Österreich. „Die meisten Bundesländer haben alle Sportzentren dicht gemacht und die Athleten sind gezwungen alternativ im Wald oder sonst wo, abseits der Sportstätten, zu trainieren, bzw. das Krafttraining zu Hause zu machen, sofern sie das nötige Equipment haben“, berichtet die 5-fache deutsche Hürdensprint-Meisterin der Allgemeinen Klasse (2 x Freiluft, 3 x Halle).

Andererseits gibt es in manchen Bundesländern auch Ausnahmeregelungen für Bundeskader-Athlet/innen (vergleichbar mit dem A- und B-Kader-Athlet/innen des ÖLV), die als Vorbild auch für die heimischen Spitzensportler/innen dienen sollten. „Ihnen ist es erlaubt, unter Einhaltung von strengen Auflagen an den Olympiastützpunkten zu trainieren“, wie die 32-jährige Rechtsanwältin berichtet.

„Sicherheit und Gesundheit geht vor“

Mit Ivona Dadic‘ Weitsprung-Spezialtrainer Dwight Phillips hatte Philipp Unfried schriftlichen Kontakt. Er lebt in Atlanta, der Hauptstadt des Bundesstaats Georgia, die zirka zwei Flug-Stunden vom aktuellen Krisenherd New York City entfernt ist. Der 4-facher Weitsprung-Weltmeister und Olympiasieger 2004, berichtet, dass bis 16. März eigentlich alles ganz normal bei ihnen in Atlanta war: „Danach wurden einige Sanktionen von der lokalen Regierung beschlossen, die unser Training schon massiv eingeschränkt haben. Die Unis und somit die Sportplätze, die wir normalerweise nutzen, wurden geschlossen, die Fitnessstudios, in denen wir unser Krafttraining machen, wurden ebenfalls geschlossen, und Aktivitäten wie Besuche beim Physiotherapeuten oder Chiropraktiker wurden untersagt.“

Der Trainingsalltag seiner Athleten in Atlanta beschreibt Phillips wie folgt: „Wir haben aktuell zwar noch einen Sportplatz, den wir nutzen dürfen, jedoch auch mit der Auflage, dass alle einen Mindestabstand von zwei Metern einhalten. Die Praxis sieht im Moment so aus, dass wir dreimal pro Woche gemeinsam trainieren und die Athleten die restlichen Einheiten daheim absolvieren.“ Eines ist dem US-Superstar aber besonders wichtig, wie er betont: „Die Sicherheit und Gesundheit geht vor. Daher bin ich auch sehr erleichtert, dass die Olympischen Spiele verschoben wurden.“ Foto (C) GEPA-pictures.

"Im Westen nichts Neues"

Die norwegische Hürdensprinter Isabelle Pedersen, ehemalige U18- und U20-Weltmeisterin im 100m Hürdenlauf und Hallen-WM-Finalistin 2018, hält sich nach wie vor in Los Angeles, an der Westküste der USA auf. Dort erreichte sie Philipp Unfried und sie berichtet ebenfalls, dass sie derzeit nur zu Hause trainieren kann, da alle Sportstätten geschlossen sind.

Norwegen nützt die vorhandenen Möglichkeiten

Die nächste Station der kleinen „Rundreise“ von ÖLV-Trainer Philipp Unfried ist Norwegen, wo er Ivona Dadic‘ Speerwurf-Berater Andreas Thorkildsen erreichte. Der zweifache Olympiasieger berichtet ebenfalls von durchwegs versperrten Sportanlagen, allerdings gibt es nach wie vor Möglichkeiten, wie er erzählt: „Glücklicherweise haben wir einen Kraftraum, den wir nützen können und einen Sportplatz, der zwar gut 30 Minuten weit weg ist“. „Aber immerhin“, wie der 37-Jährige lapidar hinzufügt. Außerdem berichtet er von gutem Wetter und der Möglichkeit im Freien zu trainieren, „was in Norwegen um diese Jahreszeit ja nicht Normalität ist.“ Seiner Einschätzung nach „kommen wir im Moment ganz gut durch“, die Ungewissheit, wie das Leichtathletik-Jahr 2020 aber verlaufen wird, schwingt auch bei ihm mit: „Jetzt müssen wir nur noch wissen, worauf wir uns vorbereiten und ob es Wettkämpfe geben wird.“ Foto (C) GEPA-pictures.

Verkehrte Welt in Belarus

Wie in den heimischen Medien in den letzten Tagen berichtet wurde, ticken die Uhren in der Welt von Alexander Lukaschenko anders als im Rest der Welt. Nicht nur der Eishockey spielende Staatsschef und die weißrussische Fußball-Liga tun so, wie wenn es die Corona-Virus-Pandemie nicht geben würde.

„Ganz ehrlich gesagt, trainiere ich wie immer. Geändert hat sich bei uns kaum etwas“, berichtet Kristina Timanovskaya, die in den letzten Monaten sich mehrfach der Sprinterinnen-Gruppe von Philipp Unfried als Trainingspartnerin anschloss. Die letztjährige Universiade-Siegerin über 200 Meter berichtet quasi von normalem Trainingsbetrieb: „Direkt hinter dem Haupteingang zu unserer Trainingshalle steht ein Spender mit Handdesinfektionsmittel, das wir benützen sollen, aber sonst merkt man keine große Veränderung. Wir haben nach wie vor sogar viele Kindergruppen in der Halle, und auch deren Eltern schauen wie gewohnt beim Training zu.“

Bei Athletinnen und Athleten, die aus dem Ausland von Trainingslagern zurückkehren, wird aber auf den COVID-19-Erreger getestet. Außerdem müssen sie in zweiwöchige Quarantäne, „die streng kontrolliert wird“, wie die zig-fache Sprinter-Meisterin Weißrusslands sagt und werden dabei auch mit Essen versorgt. „Wenn der zweite Test nach der zweiwöchigen Quarantäne negativ ist, dürfen sie wieder ganz normal neben allen anderen trainieren“, erzählt sie ebenso, wie dass sich das Leben außerhalb der Sportzentren in Weißrussland sehr wenig verändert hat. „Ein paar Firmen lassen ihre Mitarbeiter von zuhause arbeiten, und vielleicht sind auch etwas weniger Menschen auf den Straßen zu sehen, aber generell läuft das Leben hier uneingeschränkt weiter“, bestätigt sie die Berichterstattung der österreichischen Medien. Foto (C) Privat.

Kristina Timanovskaya selbst geht zwar ihrem Training nach, ansonsten versucht sie sich wie die Menschen in Österreich zu verhalten, ausschließlich zu Hause zu bleiben und jeglichen sozialen Kontakt zu meiden. Der Eindruck, dass die weißrussische Regierungsseite, die ganze Situation zu verharmlosen versucht, verfestigt sich auch für Philipp Unfried, der die Schilderungen mit großen Bedenken aufnimmt.

Insgesamt kann man auch bei diesem Rundruf feststellen, dass die Corona-Virus-Pandemie die gesamte Welt derzeit massiv im Griff hat und natürlich auch das Sportgeschehen stark negativ beeinflusst. Von gleichen Trainings- und Wettkampfbedingungen rund um den Globus sind wir derzeit meilenweit entfernt. Wir können gespannt sein, wie sich das Sportjahr 2020 weiter entwickelt und danken Philipp Unfried für die spannenden Einblicke.

01/04/20 09:33, Text: Helmut Baudis

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