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Österreich wird Zweiter bei der Masters-Athletic Competition - Innenansichten aus Kolin (CZE)

Österreich wird Zweiter bei der Masters-Athletic Competition - Innenansichten aus Kolin (CZE)

Kolin empfängt uns freundlich. Die Stadt liegt an der Elbe in der Středolabské tabule. Das ist kein Mail-Passwort, sondern heißt soviel wie „Tafelland an der Elbe“. Man hat hier absolute Blickweite und 360 Grad Horizont. Keine Stadt mit Overtourism, aber mit charmantem Hauptplatz.

In Kolin wird der 10. Masters-Länderkampf der Nationen Tschechien, Ungarn, Slowenien, Slowakei und Österreich ausgetragen, wobei Tschechien sogar zwei Teams stellt. Der gestrige Abend unserer Nationalmannschaft war herzerwärmend. Es war wie bei einem Familientreffen. Jeder kennt jemanden, der einen Master kennt. Und unsere Dreispringerin Magdalena Kulnik hatte Geburtstag. Wir wünschen ihr im Windkanal des Lebens viel Rückenwind.

Am Morgen im Stadion hat der Himmel die Farbe einer Misosuppe, und die Sonne versteckt sich noch. Um 9.00 Uhr geht es los. Michaela Zwerger und Sabine Hofer gehen auf die 1.500-m-Strecke. Sie wissen, dass auf dieser Mittelstrecke Sauerstoff ein wertvolles Gut ist und laufen deshalb ein taktisches Rennen. Michaela und Sabine schaffen einen Doppelsieg und bringen gleich 23 Punkte aufs Nationenkonto ein.

Bei den Männern sind Florian Zeh und Holger Förster für die 1.500 m auf der Bahn. Florian ist nicht nur groß, er liefert auch ein großes Rennen ab. Die 1.000-m-Marke läuft er mit 3:05 min durch und setzt am Ende noch mit langen Schritten einen Spurt drauf. Holger hat auch ein starkes Finish, überholt auf der Schlussrunde noch alle zu schnell Gestarteten und wird Vierter. Wieder 19 Punkte für uns.

Weltmeister-Dreikampf im Hammerwurf

Auf einem Nebenplatz schwingen sich Heimo Viertbauer und Walter Krifka mit dem Hammer ein. Zwei Weltmeister, die sich mit einem ungarischen Weltmeister einer anderen Alterskategorie matchen. Bald ist alles klar. Heimo und Walter lassen der Konkurrenz keine Chance und liefern einen Doppelsieg ab.

Marianne Maier ist für das Beste aus zwei Welten gemeldet: Kugelstoßen und Diskus. Marianne beginnt gleich mit einer Topleistung zur Stimmungsaufhellung und gewinnt das Kugelstoßen. Christina Baumgartner liegt mit dem vierten Rang nicht weit weg. 21 Punkte kommen auf das Nationenkonto.

Helmuth Matzner und Kurt Steinbauer widmen sich dem Weitsprung. Helmuth hielt viele Jahre den österreichischen Rekord im Dreisprung. Beim Weitsprung schlägt der Verletzungsteufel zu, ein Beinmuskel macht zu, und Helmuth muss die Disziplin abbrechen. Immerhin kommen vom Weitsprung 11 Punkte in die Kassa.

Das Wetter hat jetzt keinen Trostpreischarakter mehr. Der Mai erinnert sich, dass Frühling ist und liefert angenehme Temperaturen. Im Stadion herrscht tolle Stimmung, und die Organisatoren machen einen guten Job. Die Logistik der Resultatsübermittlung für Journalisten ist top.

Gehen: Barbara Hollinger mit persönlicher Bestleistung

Barbara Hollinger (Foto), die jüngste österreichische Teilnehmerin, startet im Geherbewerb über 3.000 m. Über diese Distanz schleichen sich leicht die Salze der Milchsäure ein. Barbara wird von der ehemaligen Olympionikin Inna Loseva aus der Ukraine trainiert und macht bald klar, dass sie keine Placebo-Teilnehmerin ist. Sie legt es auf einen privaten Rekord an und der gelingt auch: 15:55 min. Franz Kropik und Roman Brzezovsky, beide Team-Weltmeister, stehen um nichts nach und finishen auf den Punkterängen 11 und 5. Großartig.

Nach neun Bewerben ist Tschechien an erster Stelle (198 Punkte), Österreich ist Zweiter (170 Punkte). Die Ungarn sind aber nicht weit weg.

Auch der Hammerwurf der Frauen ist berichtspflichtig. Christine Hauer, die man eher als Balleteusse einschätzen würde, beginnt mit 38,60 m. Ihr weitester Wurf ist dann 38,79 m, was - mit dem Altersfaktor - umgerechnet 50,80 m bedeutet. Auch die zweite schlanke „Balletteuse“ Susanne Fiedler tanzt sich im Wurfring auf den 8. Platz. Österreichs Mannschaft stabilisiert sich nach 14 Bewerben auf dem zweiten Rang hinter Tschechien.

Bei großen internationalen Wettkämpfen wird nur normal über die Sieger und die Besten geschrieben. Den Aktiven auf den hinteren Rängen kommt in der Berichterstattung der Stellenwert von uninteressanten Wimpertierchen zu. Ärgerlich! Wenn man in Kolin sieht, wie sehr sich auch die Letzten über ihre Leistungen freuen, relativiert sich diese Berichterstattung.

Spitzenplatzierungen im 100-m-Sprint

Dann klemmen sich die 100-m-Sprinter in die Startmaschinen. Barbara Heidinger und Karmeliter Michlfeit legen fulminante Sprints hin. Karmeliter (W70) gewinnt den Bewerb und läuft mit 16,51 s eine Zeit, die sie seit vielen Jahren nicht gelaufen ist. Wäre sie eine Judoka, hätte sie den schwarzen Gürtel verdient. Barbara wird Dritte. 23 Punkte für die rotweißrote Republik.

Bei den Männern braucht man für Andreas Berger und Eduard Gonaus (Foto) kein Hexeneinmaleins. Sie gehören zu den schnellsten Masters der Welt. Ich werde trotzdem zum Nägelbeißer. Andi trommelt 12,48 Sekunden (umgerechnet 10,45 Sekunden) auf die Bahn, was österreichischer Mastersrekord für M60 ist. Edis Lauf muss wiederholt werden. Er liefert dann einen Steigerungslauf und kommt gegen Ende dem Sieg immer näher. Wäre der Lauf noch zwei Meter weiter gewesen, hätte er gewonnen. Wie sagte schon unser Herr Bundespräsident … es war arschknapp. Seine Zeit: 11,90 Sekunden. Wieder ein Doppelsieg für uns.



Gleich darauf werden die 400-m-Läufe gestartet. Wer feig ist, braucht hier gar nicht antreten. Auf einer Stadionrunde kann man den neunten Kreis der Hölle erleben. Bei den Frauen sind Stephanie Schrotter und Karmella Michlfeit am Start. Ich hätte jetzt gerne eine Trommel zum Wirbelmachen. Karmella nimmt den 4. Rang ein. Stephanie Schrotter wird Zehnte. Ich umarme vor Freude meinen tschechischen Nachbar, und es ist mir wurscht, dass der das gar nicht will.

Nach 14 Bewerben haben die Tschechen 460 und Österreich 421 Punkte.

Bei den Männern sind wir bei der Stadionrunde auch ganz vorne. Stefan Wegener gewinnt seinen 400-m-Lauf mit großem Vorsprung. Andi Berger gibt sich voll aus und schwimmt dann auf der Milchsäure ins Ziel. Die Zeiten liegen weit unter dem Minutenwalzer von Chopin. Stefan wird Achter, Andi Siebenter.

Beim Diskuswerfen sind richtige Hünen im Wurfkreis. Schwere Männer mit Muskeln und Bärten. Sie könnten leicht als Leibwächter arbeiten. Auch Engelbert Stampfl gehört mit seinen 1,97 m dazu. Neben ihm schaue ich wie ein Bonsaigewächs aus. Engelbert wirft den Diskus auf 48,48 m, was der Mannschaft neun Punkte bringt. Helmut Lang bringt sieben Punkte in die Kassa.

Der 5.000-m-Lauf ist nichts für gemütliche Flachhobler. Die ersten Runden sind zum Warmschauen, dann geht es gleich zur Sache. Doch gemach. Wenn man es zu presto anlegt, kann einem die Lunge eng werden. Bei den Frauen ist wieder Sabine Hofer in der Spur und gewinnt. Bei den Männern ist wie jedes Jahr Robert Glaser dabei. Er ist ein All-you-can-run-Läufer, hält sich geschickt auf dem dritten Platz und gibt den auch nicht mehr her. Klaus Kohout wird hervorragender Sechster. 17 Punkte für uns.

Neuer Mastersrekord im Dreisprung durch Magdalena Kulnik

Als Magdalena Kulnik für den Dreisprungbewerb aufwärmt, erahne ich, dass sie eine Sensation liefern könnte. Ich lege mir schon die Großbuchstaben zurecht. Und MAGDALENA enttäuscht nicht. Sie springt 9,74 m, was österreichischer W45-Rekord ist. Eine Bilderbuchgeschichte und wertvoll für die Punkteliste.

Dann der Diskuswurf. Marianne Maier als Zweite und Elisabeth Klotzmann als Siebente sponsern auch unsere Punktekassa, sodass wir nach 22 Durchgängen gut im Rennen liegen. Herr Riese Adam kommt auf folgende Rechnung: Tschechien A – 538 Punkte, Österreich - 477 Punkte; Ungarn – 376 Punkte. Ich sage jedem, der es hören will, dass wir Zweite werden. Auch allen, die es nicht hören wollen.

Beim Hochsprung der Frauen nimmt uns Duelli Chantal (Foto) ins Gefühlscasino mit. Man gewinnt das Hochspringen nicht wie beim Elfmeterschießen durch Glück. Es gewinnt nur, wer am höchsten springt. Sie beginnt bei 1,40 m und setzt dann nach dem System der Darwin'schen Evolution fort: 1,48 m, 1,56 m und als Höhepunkt der Entwicklung 1,60 m. Satz, Sieg und 12 Punkte.

Als ich nach einer Ess- und Bierpause ins Stadion zurückkomme, wird es nochmals spannend. Die Ungarn stellen bei den Horizontalsprüngen die Sieger. Auch im Diskus sammeln sie viele Punkte. Sie kommen uns näher, und es wird nochmals knapp. Es wird auf jetzt die Staffeln ankommen, ob wir die Silbermedaille nach Hause nehmen.

Die Entscheidung fiel in den Staffelläufen

Vor den Staffelläufen geht es ans Bruch- und Schlussatzrechnen. Es wird bei allen Mannschaften hin- und hergetauscht. Die Frauenstaffeln dürfen 180 Jahre in Summe nicht unterschreiten, die Männerstaffeln 200 Jahre.

Zuerst die 4x100 m. Bei den Frauen läuft alles glatt. Die Staffelhölzer werden wie Running sushis weitergereiht. Am Ende bedeutet das den vierten Platz für die Ladies. Sie freuen sich darüber,

Die Männer sind in der Staffel mit den Siegern des 100-m-Laufes gespickt und mit Florian Zeh und Stefan Stoxreiter ergänzt. Gleich nach dem Start distanziert Stefan die Konkurrenz, dann halten Berger und Gonaus die erste Position souverän. Als Schlussläufer geht Florian wie ein Rakete auf die letzten 100 m. Es wird ein überlegener Sieg werden. Plötzlich kippt Florian aus der Bahn und geht zu Boden. Gute Güte. Alle eilen zu ihm. Gottseidank steht Florian bald wieder auf und ist sogar schmerzfrei. Der Sieg ist jetzt wurscht und egal zugleich. Hauptsache Florian ist nicht Ernstes passiert.

Vor den 4x400-Staffeln ist die Stimmung auf dem Chili-Niveau. Nach großem Kampf sind aber bei beiden Staffeln nur der letzte Platz möglich. Noch sind aber die Disziplinen der Gewichts- und Speerwerfen nicht abgeschlossen.
Vor dem letzten Bewerb sind die Ungarn nur mehr 15 Punkte hinter uns.

Die endgültige Platzierung unserer Nationalmannschaft kennt nach den Wettkämpfen nicht einmal das Orakel von Delphi. Jetzt muss noch gerechnet werden und die Hoffnungen sollten nicht überfrachten werden. Die Siberne liegt nicht zur freien Entnahme vor. Es bleibt spannend.

Erst am Abend steht das Resultat fest, und es ist gewiss: Österreichs Masters-Team ist Zweiter geworden! Ich werde jetzt vor Freude einen Baum umarmen und nachher einige Bierflasche.

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Text und Foto: Herbert Winkler

 

07/05/23 16:07, Text: Helmut Baudis

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