Voller Optimismus nimmt Dominik Stadlmann den Halbmarathon am Sonntag mit Start um 11 Uhr in Graz in Angriff. „Dank neuer Reize im Training bin ich besser in Form als im vergangenen Herbst“, schätzt er und gibt zu bedenken, dass damals die Halbmarathon-Staatsmeisterschaften in Linz der anvisierte Leistungshöhepunkt seines Trainingszyklus war – im Gegensatz zum Frühjahr 2023, in dem die Topform während der Bahnsaison im Mai eintreffen soll.
Neuer Trainer für den nächsten Sprung
Seit zwei Monaten arbeitet Dominik Stadlmann mit Wilhelm Lilge zusammen. Der langjährige Coach von Andreas Vojta war bereits Stadlmanns Jugendtrainer, ehe sich die Wege trennten, weil sich der 27-Jährige damals Richtung 800m entwickelte. Der große Leistungssprung im Jahr 2022 nach der Neuorientierung auf längere Strecken, u.a. mit der Bestleistung im Halbmarathon von 1:03:26 Stunden in Linz, gelang dem Athleten noch autodidaktisch. „Ich hatte das Gefühl, dass ich für das neue Jahr neue Reize brauche, um einen weiteren Entwicklungssprung zu machen“, erklärt der Wiener. Die Zusammenarbeit mit Lilge war die Lösung, erste Teilerfolge sieht der Athlet in der besseren Moderation zwischen Belastungs- und Erholungsphasen sowie gezielteren Reizen aus intensiven Einheiten.
Der Silbermedaillengewinner der Halbmarathon-Staatsmeisterschaften 2022, damals nur wenige Sekunden hinter dem dieses Mal abwesenden Vojta an der Goldmedaille vorbei, profitiert nicht nur von der Expertise und Leitung des neuen Trainers, sondern auch von der Trainingspartnerschaft mit Andreas Vojta und dessen Routine. Die 10km-Bestleistung im Rahmen des Pacemaker-Jobs für Vojta beim Vienna Calling Halbmarathon vor zwei Wochen war ein erstes Wettkampf-Teilergebnis, das das Potenzial der Zusammenarbeit zwischen Stadlmann und Lilge ankündigt. Am Sonntag könnte mit dem Titel ein noch aussagekräftigeres Signal folgen.
Bauernfeind bremst Erwartungen
Stadlmanns Vereinskollege Mario Bauernfeind, der über eine Bestleistung von 1:03:36 Stunden (Kopenhagen 2022) verfügt, schraubt seine Ambitionen für Sonntag zurück, auch weil ihn nach den Crosslauf-Staatsmeisterschaften eine Erkältung leicht ausbremste. Er möchte eine Trainingseinheit unter Wettkampfbedingungen im für den Vienna City Marathon geplanten Marathon-Tempo absolvieren und hat einen Halbmarathon im Bereich seines Leistungsmaximums für den Prag Halbmarathon sechs Tage später im Sinn.
Ein wichtiges Ziel verfolgt er dennoch: Gemeinsam mit Stadlmann und Lukas Becht will Bauernfeind für das KUS ÖBV Pro Team den Titel in der Teamwertung verteidigen. Sollte der Marathon-Staatsmeister von 2022 in der entscheidenden Rennphase in den Kampf um die Medaillen verwickelt sein, wird er seinen Sportsgeist und Erfolgswillen freilich kaum zurückstecken. Im Vorjahr gewann er, mit dem gelungenen Eindhoven Marathon zwei Wochen davor in den Knochen, die Bronzemedaille.
Aus dem Berglauf-Training in den Halbmarathon
Zwei Wochen nach ihrem überlegenen Doppelsieg bei den Crosslauf-Staatsmeisterschaften gehören auch die Innerhofer-Zwillinge Manuel und Hans-Peter (LC Oberpinzgau), der in Ferlach zudem auf der Kurzstrecke gewann, zum engsten Kreis der Medaillenanwärter. Im Vergleich zum Crosslauf halten die beiden Salzburger den Ball aber etwas flacher. Manuel plagt sich seit Wochenbeginn mit einer Erkältung herum und will nur an den Start gehen, wenn sich bis zum Sonntag eine deutliche Besserung einstellt. „Prinzipiell ist der Halbmarathon eine sehr reizvolle Herausforderung“, meint Manuel, Staatsmeister in dieser Disziplin im Jahr 2020. Grundsätzlich stimme seine Verfassung, wie ihm der Auftritt bei den Crosslauf-Staatsmeisterschaften gezeigt habe.
Da die beiden Brüder seit Wochen im Formaufbau für die Berglauf- und Trailrunning-WM in Juni sind und entsprechend viele Höhenmeter im Training bewältigen, können beide ihre Form auf der Straße im Gegensatz zum Gelände des Crosslaufs schwer einschätzen – auch wenn der ein oder andere Höhenmeter auf der Grazer Strecke den beiden entgegenkommen könnte. „Ich werde das Rennen mit Risiko angehen und versuchen, so lange wie möglich vorne mitzulaufen“, geht Hans-Peter in die Offensive. „Für mich sind Staatsmeisterschaften immer Highlightrennen und ich bin gespannt, wie sich meine guten Trainingsleistungen mit vielen spezifischen Berglauf-Trainings auf den Straßenlauf auswirken.“
Potenzial für Überraschungen bei den Frauen
Offen ist der Kampf um die Medaillen bei den Frauen. Titelverteidigerin Sandrina Illes (Union St. Pölten) steckt in der unmittelbaren Vorbereitung auf die Duathlon-WM und fehlt daher in Graz ebenso wie ÖLV-Rekordhalterin Julia Mayer (DSG Wien), die nach ihrer starken Halbmarathon-Leistung vor zwei Wochen in Gent früher ins Trainingslager nach Südafrika gereist ist, um die Vorbereitung auf den Vienna City Marathon abzuschließen. Auch die weiteren Medaillengewinnerinnen vom vergangenen Oktober, damals wurden die Staatsmeisterschaften beim Halbmarathon im Rahmen des Linz Marathon ausgetragen, Eva Wutti (Club RunAustria) und Lisa Oberndorfer (LCAV Jodl packaging) sind nicht gemeldet.
Die beste Vorleistung weist Leyla Reshed (LCAV Jodl packaging) mit 1:17:58 Stunden auf, auch U23-Athletin Larissa Matz (ULC Riverside Mödling) sowie die beiden W40-Starterinnen Karin Freitag (LG Decker Itter) und Maria Hochegger (Running Team Lannach) haben Bestleistungen unter 1:20 Stunden. Aus dem Feld der Angemeldeten hat nur Freitag einen Staatsmeistertitel im Halbmarathon gewonnen, das Rennen ist also offen für Überraschungen.
Beachtliche Tendenz bei den Meisterschaftsläufern
Mit 274 Anmeldungen für die Staatsmeisterschaften sind die nationalen Titelkämpfe im Halbmarathon bereits vor der Nachmeldung vor Ort die größten seit vielen Jahren. „Gerade, weil die Teilnehmerzahlen in der Laufszene sich noch nicht gänzlich von der Pandemie erholt haben, ist das ein tolles Zeichen“, freut sich Wettkampfleiter Heinz Eidenberger. Als Gründe für die rege Teilnahme sieht er das verhältnismäßig günstige Nenngeld und die Austragung der Landesmeisterschaften der vier teilnahmestärksten Bundesländer an – neben Gastgeber Steiermark auch Oberösterreich, Niederösterreich und Wien.
Die Staatsmeisterschaften im Halbmarathon fanden zuletzt 2018 im Rahmen des Gigasport Graz Halbmarathon statt. Für den diesjährigen Event hat der Veranstalter die Laufstrecke leicht verändert und eine neue AIMS-Vermessung durchgeführt. Damit soll die Strecke, die nicht ganz flach ist, deutlich schneller sein als ihre Vorgängerin. Start und Ziel befinden sich daher am Freiheitsplatz und nicht wie früher am Karmeliterplatz. Erstmals überhaupt gibt es eine Nachmeldemöglichkeit für Staatsmeisterschaften auch am Morgen des Wettkampftages.