Du hast heuer im Rahmen der Track Night Vienna erstmals die 2min-Schallmauer durchbrochen – woher kam dieser Leistungssprung nach dieser für dich sehr langen Hallen-Saison mit den Teilnahmen an der Hallen-EM in Apeldoorn sowie der Hallen-WM in Nanjing?
Den Leistungssprung würde ich vor allem mit ein bis zwei neuen Trainingsreizen in Verbindung setzen, mit denen wir bis dahin eher sehr vorsichtig umgegangen sind. Diese bestanden auf der einen Seite aus sehr harten Einheiten im Vo2max-Bereich und zusätzlich auch den gemeinsamen Trainings mit Marcel Tobler. Mit Marcel konnte ich einfach in Bereichen laufen, die ich mir so zuvor nicht zugetraut hätte. Ich bin davon überzeugt, dass diese Entwicklung ohne der Trainingseinheiten mit Marcel nicht möglich gewesen wäre. Nicht nur am oberen Ende der Trainingsintensitäten, vor allem auch im Bereich der Grundlagenausdauer bin ich stärker geworden.
Was dazu kommt ist, dass ich mich durch meine Anstellung beim Bundesministeriums für Justiz im Rahmen des Athleta-Programmes zur Spitzensportförderung, erstmals wirklich voll auf den Sport konzentrieren kann, ohne nebenher mit "Existenzängsten" kämpfen zu müssen. Ich kann den Sport somit absolut professionell betreiben und arbeite zusätzlich an meiner Ausbildung für die Zeit nach dem Sport. Das hat sich sehr positiv auf mich ausgewirkt und meinen Kopf wesentlich freier gemacht. Das habe ich an meinen Leistungen und meiner Belastbarkeit gemerkt.
Du blickst auf deine mit Abstand erfolgreichste Saison zurück. Welche Highlights stachen für dich besonders hervor?
Puh, eigentlich war diese Saison für mich von vielen Highlights geprägt. Das erste Mal unter 2min zu laufen, war etwas sehr Großes für mich. Dann in Maribor (Anm. Team-EM) zu gewinnen und gleich das Limit für die WM in Tokyo zu laufen, war der pure Wahnsinn. Damit hätte ich einen Monat zuvor sicher nicht gerechnet. Das war wirklich ein sehr großer Moment für mich, ich konnte es einfach nicht glauben und es fühlt sich bis heute irgendwie noch utopisch an. Der Sieg beim ISTAF in Berlin mit dem WM-Limit und der nächsten 1:58er Zeit war dann schon auch etwas sehr Besonderes.

Die WM in Tokyo selbst ist dann zwar nicht 100% nach Wunsch verlaufen, was aber nichts daran ändert, dass es einfach unglaublich war, dort am Start zu stehen. Die Saison spiegelt alles, worauf ich mein ganzes Leben gehofft habe wider und wofür ich hart gearbeitet habe. Die Saison war für mich ein einziges großes Highlight.
In deinem Athletenprofil des Athleta-Programmes steht, dass du „gelernt hast ausdauernd, hartnäckig und konsequent“ zu sein. Kann man sagen, dass diese Attribute auch ganz gut deine Disziplin beschreiben? Was macht den Reiz der 800 m aus?
Ich sage immer: Um die 800 m laufen zu können, muss man masochistisch veranlagt sein. Und genau das ist es, was mich besonders reizt. Man muss sich quälen und weit über seine Grenzen hinausgehen, um voranzukommen. Die drei Adjektive würde ich aber auf jeden Fall auch auf den Weg dahin beziehen. Gleich an allen Schrauben zu drehen und viel zu früh über diese Grenzen hinauszugehen, sehe ich eher etwas kritisch. Wir haben immer daraufgesetzt, mich so "langfristig" wie möglich aufzubauen. Dass ich heute das Training verkrafte, ohne mich zu verletzen, schreibe ich vor allem auch dem zu, dass wir lange Zeit vorsichtig trainiert haben. Hier habe ich mental ausdauernd, hartnäckig und konsequent sein müssen. Meine Leistungssprünge kamen langsam und in kleinen Schritten, oder manchmal auch einfach gar nicht. Aber ja, sie beschreiben auch die 800m selbst eigentlich wirklich gut, nur "unfassbar schmerzhaft" fehlt.
Was zeichnet dein Trainingsumfeld aus und wo gibt es vielleicht noch Potential?
Zum einen würde ich sagen, dass die Zusammenarbeit mit meiner Mutter Ursula einfach perfekt für mich ist. Sie weiß (manchmal besser als ich selbst), was ich aushalte, was ich gewohnt bin und kennt meine ganze "Trainings-Biografie", weil sie einfach seit Beginn dabei war. Sie weiß einfach, wie sie mich trainieren muss, um mich bestmöglich zu entwickeln. Es gibt kein Schema A oder B, das über einen gestülpt wird, sondern das, was für mich passt, unabhängig von der Norm oder dem Bilderbuch-Muster.

Wir können offen kommunizieren, in beide Richtungen. Dazu kommt mein mittlerweile langjähriger Trainingspartner Markus (Anm. Locsmandy), der wie zu einem kleinen Bruder geworden ist - aber nicht zu einem nervigen. Auch einen neuen Krafttrainer haben wir und die bereits angesprochene Trainingsgemeinschaft mit der Gruppe von Karin Haußecker. Hier ist auch das Potential vergraben. Ich habe gemerkt, wie viel mir eine Trainingsgruppe bringen würde, da Markus ja nun die 400m läuft, überschneidet sich noch weniger unseres Trainingsprogramms. Hier müssen wir unbedingt einen Anschluss im Ausland für Trainingslager bzw. den gemeinsamen Austausch finden.
Stichwort: Umfeld. Heuer wurdest du, wie bereits erwähnt, in die Spitzensportförderung Athleta des Bundesministeriums für Justiz aufgenommen und durchläufst dort die Ausbildung zur Justizwachebeamtin. Man kann somit sagen, du bist Vollprofi. Wie veränderte sich dadurch dein Leben?
Mein Leben veränderte sich dadurch in einigen Bereichen. Es hat mir einiges an mentaler Belastung genommen. Zu wissen, nicht jeden Cent zweimal umdrehen zu müssen und gleichzeitig einen Beruf für die Zukunft zu erlernen. Zuvor hat mich der Gedanke hinsichtlich Sorgen um die Zukunft schon sehr oft begleitet. Mein Alltag selbst hat sich nur minimal geändert. Privat kam es zu der ein oder anderen Umstellung und hier und da habe ich jetzt ein, zwei Stündchen mehr Zeit für Training und Regeneration. Der Fokus liegt nun endlich zu fast 100% auf dem Sport.
Wie läuft es bis jetzt, beziehungsweise wie kann man sich das Athleta Programm vorstellen?
Bis jetzt läuft es sehr gut, ausgezeichnet könnte man sagen. Das Athleta Team ist sehr familiär aufgebaut, das Projekt wächst gerade mit uns und es ist richtig cool ein Teil davon zu sein. Meine erste Theoriephase habe ich schon im April absolviert, was schon sehr spannend war. Aktuell bin ich mitten in meiner zweiwöchigen Praxisphase in der Justizanstalt Eisenstadt und konnte das erste Mal so richtig mitbekommen, wie die Arbeit als Justizwachebeamtin ist und ich muss sagen, mir gefällt's. Die Arbeit ist um einiges vielseitiger, als man vielleicht denken könnte.
Sind deine Ziele für 2026 bereits definiert?
2026 möchte ich mich auf jeden Fall für die Hallen-WM in Torún qualifizieren und auch bei der EM in Birmingham gut abschneiden. Viel weiter formuliere ich mir meine Ziele so weit im Voraus nicht aus, nähere Definitionen kommen dann immer erst in der direkten Wettkampfvorbereitung, oder gar erst nach dem ersten Rennen, wenn sichtbar wird, wie ich das Training bis dahin aufgenommen habe.
Links:
- Bundesministerium für Justiz - Spitzensportprogramm Athleta
- Caroline Bredlinger
- LT Bgld Eisenstadt
- Fotocredit: GEPA Pictures, Wolfgang Amri, Sonya Maleterova



