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Die Balkanmeisterschaften - Innenansichten aus Craiova (Samstag)

(C) ÖLV

Der Flug nach Bukarest dauerte eineinhalb, die Busfahrt nach Craiova dreieinhalb Stunden. Dann war man endfertig und gut durchgesessen. Samstag und Sonntag werden in Craiova die Leichtathletik-Balkan-Meisterschaften - veraltet auch Balkanspiele genannt – stattfinden. Es sind dies die seit 1930 regelmäßig veranstalteten Wettkämpfe der Balkanländer.

Die Stadt Craiova liegt im Westen der Walachischen Tiefebene, etwa 220 Kilometer von der rumänischen Hauptstadt entfernt. 360 Grad Rundumblick, ohne dass gebirgige Formationen im Weg sind. 300.000 Einwohner sind in Craiova zu Hause. Die Stadt hat durchaus versteckten Charme, den man allerdings erst suchen muss.

Das Stadion ist imponierend groß und liegt neben einer Sporthalle mit enormer Dimension. Unser 4-Stern-Hotel ist dagegen bescheiden. In den Doppelzimmern sind nur schmale Betten, in denen man wie in einer Hupfburg schläft. Wenn sich in meinem Zimmer der Europameister Dietmar schwungvoll umdreht, werde ich aus der stabilen Seitenlage auf den Boden katapultiert. Der Strom hat auch nur unsichere Quellen und verwandelt am Abend so manches Zimmer in eine Dunkelkammer.

Ivona Dadic hat heute früh aufstehen müssen. Um 9.30 Uhr waren schon die 10 Hürden für den ersten von sieben Bewerben aufgestellt. Ivona ist am Vormittag der Mittelpunkt aller Blicke. Alle anderen österreichischen Athlet/innen haben noch Pause. Beim 100-m-Hürdenlauf erinnere ich mich noch immer an mein Schockerlebnis, als Ivona in Doha nach wenigen Hürden verletzt aufgeben musste. Diesmal geht alles ohne Morbus Bauchweh über die Bühne. Ivona bringt 14,52 s auf die Bahn, was ihr den 4. Platz in der 10er-Gruppe beschert.

Bald darauf folgt der Hochsprung. Es wird ein zähes Ringen an der Abbruchkante. Ivona steigt bei 1,61 m ein und reißt zwei Mal. Ich schaue gegen den Himmel. Herr, lass sie bitte nicht in Stich. Endlich bleibt die Latte liegen. Die 1,64 m gelingen im dritten Versuch. Sie bleiben als Endresultat im Protokoll stehen.

Zu Beginn des Kugelbewerbes klescht die Sonne schon ordentlich vom Himmel. Das Stadion ist einstweilen ohne Zuschauer. Mit der Kugel gelingen Dadic 13,77 m. Damit hat sie ihr Konto im Siebenkampf auf 2.468 Punkte gewirtschaftet und liegt nach drei Bewerben an dritter Stelle.

Zu Mittag besuche ich die Altstadt und lege eine Gedenkminute für Petrache Poenaru ein. Er hat in Craiova gelebt und ist der Urahn aller Schreiberlinge und Journalisten. Er hat nämlich die Füllfeder erfunden. Der älteste Profanbau in der Stadt ist ein Relikt aus unserer Kaiserzeit. Von 1718 bis 1738 war hier der Sitz der österreichischen Verwaltung.

Dann eine essigsaure Hiobsbotschaft. Im Hotel ist ein Coronafall aufgetreten. Die Meldung fährt wie mit einer Planierraupe durch die WhatsApp-Gruppe. Die Teamleitung beschließt, dass die gesamte Mannschaft sich einem Test unterzieht. Eine kluge Entscheidung. In der Folge wird nasengebohrt und gespuckt. Niemand hat folgenschwere Werte, alle sind negativ. Das macht das Gemüt für den Nachmittag wieder federleicht. 

Als Leo Köhldorfer und Niklas Strohmayer-Dangl die 400 m samt Hürden unter die Beine nehmen, galoppieren bereits  Wolken über den Himmel, und die Sonne spielt versteckerl. Passt gut. Der Lauf ist nicht nur ein internationaler Wettkampf, sondern auch ein nationaler Vergleichskampf. Niklas läuft ein phantastisches Rennen, nimmt die Hürden flüssig und spult am Ende seinen Spurt ab. Niemand kommt mehr mit. 50,72 s, Erster und damit Balkanmeister. Sein Coach Rolf Meixner ist nicht zu halten: „Souverän, superflüssig, jetzt ist er sogar beim Rennen um München dabei.“ Dann sagt es noch etwas von zwei burgenländischen Eierschädln, … ich kenne mich nicht aus, glaube aber, er ist mächtig stolz auf ihre gemeinsame Performance.

Leo Köhldorfer läuft ebenfalls ein flüssiges Rennen und ist bis zur letzten Kurve ganz vorne dabei. Auf der Zielgeraden sind die anderen aber stärker. Mit seiner Zeit unter 52 Sekunden ist er aber zufrieden.

Gleich darauf startet Lena Pressler, Österreichs frischgebackene Rekordlerin, in der gleichen Disziplin. Lenas Läufe sind nie von der Stange, sie ist immer für Überraschungen gut. Die ersten 300 m sind zum Schauen, die letzten 100 m zum Staunen. Die Slowenin Zupin ist vorne weg, aber Lena will unbedingt den zweiten Platz. Sie schiebt sich immer näher an die Griechin Gnafaki heran. Ich brauche bereits einen Telefonseelsorger. Die Willenskraft trägt Lena auf den letzten fünf Metern zur Silbermedaille. Welche Kraft doch in dieser zarten Läuferin steckt? Viola Kleiser, ihre Trainern, sieht es analytisch: „Lena ist schnell angelaufen und hat das hohe Tempo bis zum Schluss halten können.“

Vor dem 400-m-Lauf der Frauen liegt die Freude noch vor mir. Susanne Walli, die schon für die EM in München qualifiziert ist, ist heute wohl die Favoritin des Laufes. Ein Ehrentitel, den sie auch bestätigt. Sie lässt vom Start weg keinen Zweifel, dass sie alle distanzieren wird und zieht dem Feld sukzessive davon. Auch sie wird Balkanmeisterin. Die Zeit von 52,49 Sekunden ist in der Königsklasse einzureihen und nur wenige Zehntel von ihrer Saisonbestleistung entfernt. 

Lena Millonig hat heuer schon 9:59,21 min über die Hindernisstrecke protokolliert. Sie hat eine lange Durststrecke hinter sich, und ihr Comeback fiel nicht vom Himmel. Es hatte irdische Ursachen. Um 20.10 Uhr beginnt der Hindernislauf, der für jeden Hobbyläufer einer Geißelung gleichkommt. Die Albanerin Euiza Gega und die Rumänin Claudia Prisecaru sind eine sehr große Nummer, und Lena lässt sich auf keine Mutprobe ein. Vorsicht ist immer der bessere Teil der Tapferkeit, sagte schon William Shakespeare. Lena läuft ein getaktetes Rennen. Das Ziel ist eine neuerliche Verbesserung ihrer Bestzeit. Als sie die letzte Runde angeht, spüre ich schon die freien Radikale in mir wachsen. Wird sich neuerlich eine Zeit unter 10 Minuten ausgehen? Das wird knapp. Weit gefehlt. Lena hat noch etliche Körner parat und finisht mit 9:57,47 min. Ganz große Gratulation. Jetzt bin ich gespannt, ob der väterliche Europameister heute wenigstens ein warmes Leichtbier springen lässt. 

Einstweilen verliere ich die Übersicht über das Geschehen im Stadion. Aus dem Augenwinkel bekomme ich nur mit, dass Ivona Dadic den ersten Wettkampftag auf dem zweiten Platz beendet und Leni Lindner über die 100 m Vierte wird.

Dann tritt Sebastian Frey über die 5.000 m an. Es ist zwar kühler geworden, aber mir verdunstet schon beim Zuschauen der Sauerstoff. Der Lauf ist leicht zu beschreiben, aber schwer zu laufen. Sebastian, der heuer bereits 14:02,53 min gelaufen ist, legt es von Beginn an nicht bescheiden an. Er ist hält sich beharrlich auf dem vierten Platz der Gruppe auf. In der Mitte des Rennens geht die Post ab … und Sebastian geht mit. Das Feld zieht sich wie Treibgut auseinander. Auf der letzten Runde geht es darum, ob Sebastian erstmals unter 14 Minuten bleiben wird. Mit einem letzten Antritt geht sich dieses Resultat aus. Willkommen im Klub der 13er, Sebastian.

Einstweilen wurde das Sonnenlicht ab und das Flutlicht aufgedreht. Bei mir entwickelt sich schon eine profunde Textschwäche und die Gefahr, dass ich nur mehr dadaistische Sätze zusammenbringe.

Aber beim 1.500-m-Lauf von Kevin Kamenschak und Marcel Tobler will ich noch dabei sein. Auch dieser Lauf ist nichts für Menschen mit instabilem Blutdruck. Es geht von Beginn an flott zur Sache, und man weiß nicht, wer sich dabei übernimmt und wer gut mit Laktat umgehen kann. Kevin hält sich anfangs zurück und liegt sogar an letzter Stelle. Aber nicht lange. Bald vermehren sich die Moleküle der Hoffnung auf einen Spitzenplatz, denn Kevin rollt die Gruppe auf und ist bald der Zweite. 800 m werden bei 2 Minuten durchgegangen. Marcel hält sich stabil im Feld. Am Schluss löst sich die Gruppe auf, und es wird um die Plätze gefightet. Jetzt macht sich bezahlt, dass Marcel und Kevin eine supertricky Taktik gewählt haben. Beide laufen persönliche Bestzeit und werden Dritte und Vierte.  

Auch der 800-m-Lauf von Caroline Bredlinger hat nicht die Aura einer Heizdeckenfahrt. Die Gruppe bleibt trotz hohem Tempo beisammen. Man weiß nicht, wer die Stärkste ist. Caroline hat aber Vertrauen, dass sie vorne dabei sein wird. Sie geht jedes Tempo mit und lässt sich von Beginn an nicht vom zweiten Rang verdrängen. Der Zielsprint bringt die Entscheidung. Caroline wird Zweite ihre Laufes und liefert eine persönliche Bestzeit mit 2:06 min ab.

Ich wandere gut gelaunt zum Shuttlebus. Der Tag war lang, aber mit vielen Happy Endings. Morgen berichten wir weiter. Bleiben Sie dran.

Text: Herbert Winkler

19/06/22 08:11, Text: Georg Franschitz

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