Trotz dieser Veröffentlichung sind wesentliche Fragen zur WM-Qualifikation weiterhin ungeklärt.
Fixiert sind die Anzahl der Teilnehmer/innen in den einzelnen Disziplinen. Was aus österreichischer Sicht auffällt, ist die erhebliche Reduktion der Startplätze von 32 auf 24 in den Mehrkämpfen gegenüber London 2017.
Das große Rätsel heißt World Ranking
Die große Änderung gegenüber den letzten Weltmeisterschaften liegt darin, dass die Mehrzahl der Teilnehmer/innen sich über ein neues IAAF World Ranking - nicht zu verwechseln mit der herkömmlichen Weltrangliste - qualifizieren muss, das bis dato nur inoffiziell publik ist. Den Nationalen Leichtathletik-Verbänden wie dem ÖLV liegt diese neue Rangliste, bei der die Leistungen samt Bonuspunkte für die Platzierungen je nach Wertigkeit des Wettkampfes einfließen, derzeit nur als "Testing and Review Site" vor.
Limits wird es ebenfalls wieder geben, allerdings werden diese enorm hoch sein und von der IAAF erst Anfang November beschlossen. Die Mehrzahl der Athleten soll sich über das World Ranking qualifizieren. Außerdem ist die Teilnahme weiterhin über Wild Cards (Titelverteidiger, Diamond League Sieger, etc.) möglich, die für die heimischen Sportler aber wohl kaum in Frage kommen.
Wo liegen die ÖLV-Athletinnen und -Athleten?
Ein Blick auf den aktuellen Zwischenstand im Testsystem des World Rankings zeigt aus rot-weiß-roter Sicht folgendes Bild der derzeit acht bestplatzierten ÖLV-Athlet/innen:
Lukas Weißhaidinger (Diskus) und Ivona Dadic (Siebenkampf) liegen aktuell jeweils an sechster Stelle in ihren Disziplinen. Wobei in den Würfen die besten fünf Ergebnisse der letzten 12 Monate bzw. bei den Mehrkämpfern, die besten zwei Ergebnisse der letzten 18 Monate einfließen. Das Reglement gibt Aufschluss darüber, was und wie gewertet wird. Hier sind kleinere Änderungen sicherlich noch möglich, bis das World Ranking dann tatsächlich offiziell präsentiert wird.
Auf einem WM-Ticketplatz liegt derzeit auch ganz klar Verena Preiner, die 15. im Siebenkampf ist. Bei ihrer Disziplinkollegin Sarah Lagger sieht man klar die Auswirkungen des neuen Modus. Die junge Kärntnerin liegt in der heurigen IAAF Weltrangliste mit 6.225 Punkten auf Platz 16 und hätte die Limits für die letzte WM in London und die Olympischen Spiele in Rio (jeweils 6.200 Punkte) überboten. Trotzdem wäre sie aktuell knapp nicht in Doha mit dabei, da das neue World Ranking sie nur auf Rang 30 ausweist. Ihr 2. Platz mit dem gerade genannten Rekordwert bei der Junioren-WM bringt lediglich 38 Platzierungs-Bonuspunkte. Für ihre tollen heurigen Siebenkämpfe bei der EM in Berlin (13. Platz mit 6.058 Pkt.) und in Götzis (10. Platz mit 6.156 Pkt.) erhält sie null Bonuspunkte, da diese dort nur für die Top-8 vergeben wurden. Ihr zweitbester Wert ist derzeit daher der 5.891 Punkte Mehrkampf bei den ö. Staatsmeisterschaften 2017, für den sie 60 Bonuspunkte erhält.
Bendrat und Schrott aussichtsreich
Unsere beiden Hürdensprinterinnen Stephanie Bendrat und Beate Schrott liegen derzeit auf den Rängen 42 und 49 des World Rankings. Da 40 Startplätze über 100m Hürden für Doha zu vergeben sind und vor ihnen einige Länder mit mehr als drei Athletinnen vertreten sind, schaut es derzeit ganz gut aus für die beiden. Wenngleich sich bei ihren Gesamtpunkten ein kleiner Fehler eingeschlichen hat. Bendrat hat sowohl für ihre Vorlauf- als auch für ihre Finalleistung in Klagenfurt den Staatsmeisterschaftsbonus von jeweils 100 Punkten erhalten. Diese sind wohl nur für das Finale vorgesehen. Schrott hat ebenfalls die Bonuspunkte für den Vize-Staatsmeistertitel (80 Pkt.) doppelt erhalten.
Das korrekte Erfassen aller Wettkampfleistungen der ganzen Welt wird die IAAF sicherlich vor große Herausforderungen stellen. Ähnliche Fehler wie der gerade beschriebene, sind bei der Durchsicht des Testsystems bereits mehrere aufgefallen. Wenn im Kampf um die WM-Startplätze dann aber einzelne Punkte über die Teilnahme oder Nicht-Teilnahme entscheiden, müssen solche Fehler unbedingt ausgeschlossen werden.
Distelberger braucht Top-Resultate 2019
Österreichs Top-Zehnkämpfer liegt derzeit auf dem 58. Platz im World Ranking-Testsystem und selbst nach Bereinigung auf drei Athleten pro Land deutlich hinter der wohl für einen WM-Startplatz notwendigen Platzierung. Aufgrund seiner Achillessehnenprobleme konnte er heuer keinen Zehnkampf in die Wertung bringen, was verdeutlicht, dass sich längere Verletzungspausen im neuen System dramatisch auswirken. Ein "One-Hit-Wonder", welches in der Vergangenheit oftmals einen WM-Startplatz sicherte, ist mit dem neuen System nicht mehr erfolgbringend. Für Dominik Distelberger heißt's, starke Leistungen bei den richtigen Wettkämpfen 2019 zu erbringen, um auf den WM-Zug aufzuspringen.
Kann Nada Pauer überraschen?
Interessant ist die Ausgangslage für Nada Pauer, die heuer eine starke Saison gezeigt hat. Sie liegt derzeit auf dem 89. Platz im 5000m Lauf des World Rankings, in der nationenmäßig bereinigten Liste allerdings auf Rang 52. Und da beim 5000m Lauf 42 Frauen an den Start gehen werden, lebt die Chance für die EM-Debütantin von Berlin in einem Jahr auch bei der Wüsten-WM an den Start zu gehen.
Die IAAF ist gefordert
Derzeit gibt es wirklich noch viele Fragezeichen, nicht nur in Österreich, sondern bei allen Leichtathletik-Verbänden weltweit. Die IAAF ist mit ihrer Neuentwicklung "World Ranking" unter massivem Zeitdruck, denn die Qualifikationszeiträume haben längst begonnen. Die Kategorisierung der Events und damit Vergabe der Platzierungspunkte scheint noch nicht ganz ausgewogen und lässt Raum für taktische Spielereien.
Der Kontinentalverband NACAC (North America, Central America and Caribic) lehnt das neue Procedere völlig ab, wie auf dessen Website zu lesen ist. Das NACAC-Council fordert vor wenigen Tagen die IAAF sogar auf, das bereits publizierte Qualifikationssystem zu verwerfen und das World Ranking mehrere Jahre in einem Parallelbetrieb zu testen und erst für die WM 2021 erstmals zur Anwendung zu bringen. Wir sind gespannt, wie die Stimmung unter den europäischen Verbänden ist. In drei Wochen bei der European Athletics Convention in Lausanne wird das sicherlich für ordentlich Gesprächsstoff sorgen.