Wann kann die Saison losgehen? Wird es heuer nur nationale Meetings mit überschaubarem Starterfeld oder doch auch internationale Wettkämpfe in gewohntem Ausmaß geben?
Fünf Wochen lang mussten sie sich mit stundenlangen Skype-Trainingsschaltungen zurechtfinden. Coach Gregor Högler saß in Niederösterreich in seinem Haus vor dem Laptop, Diskus-Ass Lukas Weißhaidinger stand im oberösterreichischen Taufkirchen, genauer am Bauernhof von Bruder Franz, im selbst gebauten Trainingszentrum, und warf im Minutentakt den 2 Kilogramm schweren Diskus gegen den Waldrand. O-Ton Lukas Weißhaidinger. „Die Tauben fliegen mit dem Diskus um die Wette, Fuchs und Hase schauen zu.“
Jetzt ist das Erfolgsduo wieder vereint, kann in gewohnter Umgebung trainieren. Mit Kraftgeräten im Wert von 100.000 Euro, mit medizinischer Rundumbetreuung, einem Wurf-Feld, das dem Weltranglisten-Dritten exklusiv zur Verfügung steht und mit dem Trainer in nächster Nähe (im Klartext: mind. 2 Meter entfernt). Nach der ersten Trainingswoche im BSFZ Südstadt stehen Lukas Weißhaidinger und Gregor Högler erstmals ausführlich Rede und Antwort.
Die wichtigste Frage in COVID-19-Zeiten: Seid Ihr gesund, geht’s Euren Familien gut?
Lukas Weißhaidinger: „Eigentlich lief in den letzten fünf Wochen alles reibungslos ab: Keine Verkühlung, keine Verletzung. Zugegeben, ich hatte ein paar Verspannungen im Rückenbereich, da und dort ein Zwicken. Aber ich glaube das ist – bei einem Körpergewicht von 150 kg – relativ normal, wenn man vier Wochen ohne Massage auskommen muss. Ich hatte zwar einen Laser mit dabei, auch ein Kältebecken, Massagekissen. Das hat mir geholfen, aber natürlich ist das auf Dauer keine Ideallösung. In der Südstadt bin ich gewohnt, an harten Trainingstagen mitunter auch zweimal massiert zu werden. Aber um auf die Frage zu beantworten: Bei uns zu Hause sind alle gesund, zum Glück auch meine 81-jährige Oma, die zur Risikogruppe zählt.“
Gregor Högler: „Auch bei uns sind alle gesund. Ich habe mich strikt ans Home Office gehalten, das Haus eigentlich nur fürs Einkaufen und für Laufeinheiten verlassen. Im Unterschied zu vielen anderen hab‘ ich sogar ein paar Kilogramm abgenommen.“
Wie beurteilt Ihr die erste „normale“ Trainingswoche – nach dem COVID-19-Shutdown?
Weißhaidinger: „Auch wenn ich fünf Wochen auf hohem Niveau trainieren konnte, es gab eine Vielzahl von Übungen, die in diesem Umfeld nicht möglich waren. Gregor konnte nur per Skype Anweisungen geben. Das ist nicht so exakt, wie wenn er direkt neben dir mit zwei Kameras steht. Und dazu musste ich mich medizinisch mit dem Laser selbst behandeln. Normalerweise hab‘ ich ein oder zwei Mal am Tage Massage, um Verspannungen zu vermeiden. Das kannst du mit Selbstbehandlung nicht kompensieren.
Högler: „In der aktuellen Situation waren wir froh, dass Luki nicht komplett zum Nichtstun verdammt war, sondern unter sicheren Bedingungen mehr oder weniger ungestört trainiert konnte. Aber natürlich war die gewohnte Qualität für die Dauer von fünf Wochen nicht aufrechtzuerhalten. Wir mussten notgedrungen gewisse Kompromisse machen, um keine Verletzungen zu riskieren. In der Südstadt stehen uns Krafttrainingsgeräte von über 100.000 Euro zur Verfügung, dazu ein selbstgebautes Krafttrainingsgerät, mit dem wir 100 Würfe in 30 Minuten absolvieren können, und eine komplette medizinische Infrastruktur – mit Physiotherapie, Massage, Kältebecken usw.“
Lässt sich „Social Distancing“ und das Tragen von Gesichtsmasken mit einem Hochleistungstraining vereinbaren?
Högler: „In der Leichtathletik lässt sich das relativ leicht bewerkstelligen. Verstärkt aufpassen müssen wir eigentlich nur beim Krafttraining, wenn Luki große Lasten bewegt. Da stehe ich normalerweise hinter ihm, um im Bedarfsfall eingreifen zu können. Jetzt behelfen wir uns mit modernster Technik, mit dem sogenannten Lifter, einem Kraftgerät, bei dem ich per Fernbedienung die Gewichte auflegen und steuern kann!“
Weißhaidinger: „Für mich ändert sich nicht viel: Außer, dass Gregor beim Training jetzt manchmal eine Maske aufhat. Wir sind beim Großteil der Trainings nur zu zweit, müssen auf niemanden Rücksicht nehmen. Beim Wurftraining bedient Gregor die Kameras, um biomechanische Messungen und Aufnahmen machen zu können, ich stehe, 3, 4 Meter entfernt im Wurfkreis. Da läufst du eigentlich nie Gefahr, dir zu nahe zu kommen.“
Wie plant man eine Saison, wenn man nicht weiß, wann sie los geht, wie viele Wettkämpfe überhaupt stattfinden können?
Högler: „Es bleibt noch Zeit. Ursprünglich wollten wir Anfang Mai starten, jetzt wird’s eher Mitte Mai. Lukis Heim-Meeting in Taufkirchen ist abgesagt worden. Derzeit gehen wir davon aus, dass wir ein Meeting mit 3 Startern, Luki inklusive, selbst organisieren. Zum Beispiel in Schwechat-Rannersdorf. Das sollte Mitte Mai möglich sein.“
Und international – rechnest Du heuer noch mit Wettkämpfen auf höchstem Niveau?
Weißhaidinger: „Donnerstag haben sie auch die Ende August geplante EM in Paris endgültig abgesagt. Natürlich ist das traurig. Aber unser Job ist es, uns neue Ziele, Saisonhöhepunkte zu suchen. Auch wenn das im Moment nicht ganz so leichtfällt. Vielleicht sind es Länderkämpfe oder Rekordversuche - mal schauen... Ich weiß, der ÖLV plant schon an möglichen Alternativen.“
Text (C) ÖOC/Wolfgang Eichler, Fotos (C) GEPA-pictures