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Innenansichten aus Gävle - Freitag

(C) ÖLV/Wepner

Schon am Morgen hat der Himmel die Farbe einer Miso-Suppe. Die Sonne hat sich verdrückt und den Bruder Regen geschickt. Der gestrige Tag war mit Freuden gepflastert. Sarah etablierte sich im Kreise der Medaillenanwärter und Karin, Dominik und Katharina haben sich für die Verlängerung qualifiziert.

Beim Frühstück erzählt mir eine Schwedin eine Besonderheit. In Gävle wird zur Weihnachtszeit am Hauptplatz immer eine überdimensionale Ziege aus Stroh aufgestellt. Das hat Tradition. Die Riesengeiß wird aber auch – trotz Bewachung – alle Jahre wieder auf kreative Art abgefackelt, niedergemäht oder ertränkt. Auch das hat Tradition. Es erinnert mich an das Maibaumaufstellen bei uns zu Hause. Die Bäume werden auch vielfach abgeschnitten oder gestohlen.

Als ich ins Stadion komme, wurlt es bereits vor der Weitsprunggrube. Die Siebenkämpferinnen setzen ihren Wettkampf mit dem Horizontalspringen fort. Der Weitsprung kann leicht zum Refugium für Gescheiterte werden, denn es gibt nur drei Versuche. Sarah setzt gleich den ersten Sprung mit 5,81 m in die Grube. Obwohl sie auf dem Typenschein auch 6-Meter-Sprünge stehen hat, kommt kein weiterer gültiger Sprung ins Protokoll.

(C) ÖLV/Wepner

Auf der Journalistentribüne ist es einstweilen zugig und feucht. Man kann hier den Jackpot für eine Blasenentzündung gewinnen. Ich flüchte mich zum Medicalteam, wo unsere Athletinnen und Athleten vor und nach jedem Bewerb formatiert werden. Die knetenden Burschen sind immer gut drauf und machen aus jeden müden Läufer einen Quickstep-Tänzer.

Dann werden im Stadion wieder Hürden aufgestellt. Diesmal auf die ganze Stadionrunde verteilt. Als Sebastian Gaugl in der Startmaschine Platz nimmt, ist wettermäßig Schluss mit lustig. Der Regen hat Sintflutniveau, und ich erkundige mich, wo in Gävle die Arche Noah anlegen wird. Der Regen stört die Sicht und den Speed der Läufer gewaltig. Sebastian eiert nicht lange herum und zieht dynamisch in die erste Kurve. Er gibt keine Meter zu den Konkurrenten her. Nach 220 m schließt sich dann das Feld, und die Kurvenvorgaben schrumpfen. Sebastian bleibt weiter gut im Rhythmus, wird lediglich bei der neunten Hürde aus dem Takt gebracht. Sein Lauf ist ein Statement für die Zukunft, und er selbst ist auch mit der Vorstellung sehr zufrieden. Trainer Gerald Jalitsch freut sich über die starke Leistung.

Den Vormittag beendet Sarah Lagger mit dem Speerwerfen. Sie legt eine fulminante Serie hin und bringt sich auf den vierten Gesamtrang. Jetzt ist sie in Schlagweite zu einer Medaille. Beim abschließenden 800m-Lauf braucht es keinen Alfred Hitchcock. Es wird auch so ziemlich spooky werden.
Am Nachmittag hat sich der Regen verzogen, und die Sonne beendet ihre Trotzphase. Es wird wieder sehr warm im Stadion. Das macht gute Laune.

Die Spannung beim Zwischenlauf von Karin Strametz ist groß. Die Chancen, in das Finale des 100m-Hürdenlaufes einzuziehen, lässt zwei Antworten zu: Ja und Nein. Der Lauf von Karin entwickelt sich nicht wolkenlos. Sie touchiert mehrere Hürden. Das kostet Zeit und das Ticket für den Endlauf. Philipp Unfried meint, die Hürdentechnik ist noch Work in progress. Die ganz großen Zeiten kommen noch.

Dominik Hufnagl hat bei lausigen Bedingungen den Aufstieg in den Zwischenlauf über 400 m geschafft. Diesmal findet er ein sonniges Biotop vor. Er kann ohne Druck laufen. Dominik legt es systemisch an, läuft ein flottes Tempo und kämpft sich mit 47,48 sec ins Ziel. Das bedeutet SB und Zufriedenheit.

(C) ÖLV/Wepner

Tobias Rattinger hat sich für den 3.000m-Hindernislauf qualifiziert. Es ist eine Strecke, über die es sich leicht schreibt, aber schwer läuft. Schon nach wenigen Runden verkürzt sich die Lebensqualität gewaltig. Tobias läuft ein gut genormtes Rennen. Er hält sich im hinteren Drittel des Feldes auf und bleibt kraftsparend auf der Innenbahn. Seine Hürdentechnik hat keine Zappel- oder Bremsfaktoren. Als der Sehnsuchtsort näher kommt macht er noch Plätze gut und spurtet mit 9:15 min durchs Ziel. Super.

Dann kommt der absoluten Showdown. Sarah Lagger fightet im 800-m-Lauf um eine Medaille mit. Im Fansektor der Österreicher hat es bereits die Gemütlichkeit eines Hornissennestes. Alle sind aufgeregt. Georg Werthner hat alle elektronisch mit Informationen versorgt, auf wen Sarah aufpassen oder wen sie eskortieren sollte. Ich denke, man sollte diesen Lauf nicht übertrieben hochjazzen. Sarah wird in zwei Jahren noch immer bei den U23-EM dabei sein.

Die Story ist kurz erzählt, die Freude wird lange anhalten. Sarah läuft ein couragiertes Rennen und gibt ihr Bestes. Die Endabrechnung des Siebenkampfes ergibt, dass nur vier tollen Breitband-Athletinnen vor ihr zu liegen kommen. Sarah Lagger und Georg Werthner gebühren sowohl der Schwarze Gürtel wie auch mehrere DAN-Grade.

Mir fällt am Ende des Tages Louis Amstrong ein: I think to myself what a wonderful world. Morgen geht es mit unserer Wundermannschaft weiter. Bleiben sie dran. Es zahlt sich aus.

Text: Herbert Winkler

12/07/19 19:21, Text: Bernhard Rauch

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